Der Weg zu einem neuen Kernkraftwerk in der Schweiz ist hürdenreich und lang. Das zeigt ein neuer Bericht, den die Energiekommission der Akademie der Wissenschaften nun vorgestellt hat.
Diese Kommission besteht aus Forscherinnen und Forschern aus verschiedenen Fachrichtungen und Institutionen und publiziert regelmässig Berichte zum Schweizer Energiesystem. Wirtschaftsredaktor Matthias Heim ordnet die Ergebnisse ein.
Braucht die Schweiz neue Kernkraftwerke?
Das ist umstritten. Seit der drohenden Strommangellage im Zuge des Ukraine-Kriegs und der altersbedingten Abschaltung des AKW Beznau 2033 läuft eine politische Debatte über die künftige Rolle der Kernenergie. Beispielsweise möchten die Initiantinnen der sogenannten Blackout-Initiative das bestehende Verbot für neue Kernkraftwerke in der Schweiz aufheben.
Vor dem Hintergrund der Initiative will auch der Bundesrat – unter Federführung von Energieminister Albert Rösti – das Verbot rückgängig machen, welches das Volk 2017 in einer Abstimmung angenommen hatte. Kritikerinnen und Kritiker hingegen erachten neue AKW als überflüssig, weil der künftige Strombedarf durch erneuerbare Energien wie Wasserkraft oder Solaranlagen und grosse Batteriesysteme gedeckt werden könne.
Lesen Sie hier den ganzen Bericht:
Wie beurteilt die Energiekommission die Notwendigkeit eines neuen Kernkraftwerks?
Die Energiekommission spricht sich weder für noch gegen ein neues Kernkraftwerk aus. Viel mehr macht sie eine Auslegeordnung zu den Vor- und Nachteilen. So hält sie etwa fest, dass ein neues Kernkraftwerk bei geringem Platzbedarf durchaus einen wesentlichen Anteil zur Stromversorgung in der Schweiz beisteuern könnte. Das gilt allerdings nur für den Winter. Im Sommer würde dieser Strom kaum gebraucht, da in dieser Zeit die Schweiz schon heute genügend Strom produziert. Ein neues AKW müsste demnach abgestellt werden oder würde finanzielle Verluste einfahren, so das Fazit der Autorinnen und Autoren.
Wann könnte ein neues AKW in der Schweiz Strom liefern?
Die Forschenden gehen davon aus, dass ein neues Kernkraftwerk um 2050 bereit sein könnte. Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Planungs- und Bewilligungsverfahren, Volksabstimmungen, allfällige Einsprachen und der Bau viele Jahre dauern. Auch Vertreter aus der Strombranche sind schon früher ebenfalls zum Schluss gekommen, dass ein neues AKW kaum vor Mitte der 2040er-Jahre in Betrieb gehen könnte.
Was kostet ein neues Kernkraftwerk?
Die Energiekommission nennt keinen fixen Preis, da die Kosten für ein neues Kraftwerk von unzähligen Faktoren abhängig sind: vom Reaktortyp, von der Bauzeit oder den Lieferanten. Allerdings verweist die Autorenschaft auch bei den Kosten auf die im Ausland gemachten Erfahrungen: Demnach dürfte ein neues AKW mit einer Leistung von 1000 Megawatt rund 4 bis 15 Milliarden Franken kosten. Ein Vergleich mit Anlagen in Europa und den USA lässt allerdings vermuten, dass die Kosten wohl eher im zweistelligen Milliardenbereich liegen dürften.
Wer bezahlt ein neues Atomkraftwerk?
Das ist offen. Die grossen Schweizer Energiekonzerne betonen seit Jahren, dass sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht in ein neues Kernkraftwerk investieren würden. Zu gross seien die finanziellen und die politischen Risiken. Auch die Energiekommission kommt zum Schluss, dass ein neues AKW wohl nur dank der öffentlichen Hand finanziert werden könnte, weil private Investoren «zurückhaltend» seien.