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Aktuelle Kriminalstatistik Die Jugendgewalt hat in der Schweiz zugenommen

Mehr Gewalttaten, die von Jugendlichen ausgingen: Hat Corona etwas damit zu tun?

Schockiert ist Jugendanwältin Barbara Altermatt aufgrund der stark steigenden Zahlen nicht, aber nachdenklich stimme sie das schon. Sie sagt: «Grundsätzlich ist es so, dass Delinquenz immer eine Wellenbewegung ist. Ich fühle mich ungefähr zehn Jahre zurückversetzt, als das die Normalität war.»

Verabredung zum Trinken auf Socialmedia

In den Nullerjahren hatte die Jugendgewalt einen Höchststand erreicht, dann gingen die Zahlen runter bis vor kurzem, sagt Altermatt, die gleichzeitig Präsidentin der schweizerischen Vereinigung für Jugendstrafrechtspflege ist. Nun zeigt also der Trend wieder nach oben.

Auffällig ist, dass Massenschlägereien unter Jugendlichen zugenommen haben. Das stellt man auch im Kanton Zürich fest. Dort hat die Zahl der Gewaltdelikte unter Jugendlichen bereits 2019 um über ein Drittel zugenommen.

Wieso hat die Jugendgewalt in der Schweiz zugenommen?

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Gian Ege ist Oberassistent für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich und Spezialist für Jugendstrafrecht. «Bei den schweren Delikten wie Körperverletzung, Tötung und Vergewaltigung ist die Zunahme sehr deutlich. Es ist aber so, dass wir von einem relativ tiefen Niveau ausgehen. Schwere Delikte Jugendlicher hatten wir 2020 86, Tötungen acht», sagt er.

Demografische Faktoren allein könnten die Zunahme nicht erklären. Es gehe um das Freizeitverhalten und um die Einstellung, die Jugendliche haben. «Gewaltbefürwortende Einstellungen haben offenbar zugenommen», sagt der Experte. Wieso sich dies allerdings verändert hat, sei schwer zu sagen, vermutet werde, dass es mit entsprechenden Veränderungen im Elternhaus zusammenhängen würde.

Die von der Politik geforderten Massnahmen wie härtere Bestrafung seien nicht per se falsch, sagt der Experte. Aber: «Man kann nur sagen, dass die Wirksamkeit härterer Strafen nicht belegt ist.» Deutschland zum Beispiel habe sehr viel höhere Strafen in der Jugenddelinquenz; trotzdem sei das Niveau der Gewalttaten Jugendlicher bedeutend höher als in der Schweiz.

Marcel Riesen-Kupper, oberster Zürcher Jugendanwalt, sagt dazu: «Es sind spontan zusammengesetzte Gruppen, die sich auf Socialmedia zusammenfinden. Sie sind bis spät in die Nacht unterwegs und trinken Alkohol, mit angespannter Stimmung. Da genügt ein Reizwort, um eine Auseinandersetzung entstehen zu lassen.»

Was bringt ein Rayonverbot?

Gründe für die immense Zunahme kann man weder im Kanton Zürich noch schweizweit nennen. Barbara Altermatt sagt aber, dass Perspektivenlosigkeit und Chancenungleichheit in der Bildung mitverantwortlich seien. Wichtig sei, schnell zu handeln, mit individueller Beratung, aber zum Beispiel auch mit Rayonverboten für gewalttätige Jugendliche.

Die Gewalt unter Jugendlichen und von Jugendlichen hat in den letzten Jahren zugenommen. Symbolbild.
Legende: Die Gewalt unter Jugendlichen und von Jugendlichen hat in den letzten Jahren zugenommen. Symbolbild. Keystone

«Jedes Mittel lebt von seiner Umsetzung. Rayonverbote ermöglichen rasches Handeln. Aber sie bedürfen auch der Mittel zur Umsetzung», sagt Altermatt.

Bleibt noch die Frage, welche Rolle Corona für die Zunahme der Jugendgewalt gespielt hat. Das sei schwierig zu sagen, sind sich beide Jugendanwälte bewusst. Corona habe sicher eher mehr Ängste geschürt, meint Altermatt.

Welchen Einfluss hatte Corona?

Demgegenüber hält sich der Zürcher Jugendanwalt an die Zahlen. 2019 vor Corona habe man im Kanton Zürich eine Zunahme der Jugendgewaltdelikte von 35 Prozent gehabt, im letzten Jahr stieg die Anzahl Gewalttaten im Kanton Zürich nur noch um 6 Prozent.

«Wir schliessen daraus, dass Corona mindestens nicht zu einer Erhöhung der Gewalttaten geführt hat. Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung der Gewalttaten unabhängig von Corona gelaufen ist», sagt Marcel Riesen-Kupper, leitender Oberjugendanwalt des Kantons Zürich.

Rendez-vous vom 28.06.2021, 12,30

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