Im Januar noch hatte Bundespräsident Ignazio Cassis bloss von einer «Agenda» für künftige Verhandlungen gesprochen, die man der EU präsentieren wolle. Nun ist doch deutlich mehr als ein Terminkalender herausgekommen.
Der Bundesrat zeigt sich bereit, der EU in zwei wesentlichen Streitfragen entgegen zu kommen. Die berühmten «institutionellen Fragen» will er gesondert in jedem einzelnen Abkommen regeln. Die von der EU geforderte Übernahme von neuem EU-Recht oder ein Modell zur Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten würden damit umgesetzt. Zum anderen schliesst der Bundesrat nicht mehr aus, der EU künftig in regelmässigen Abständen eine grössere Geldsumme zu überweisen. Die bisher einmal bezahlte Kohäsionsmilliarde würde damit zum Dauerauftrag.
Paketlösung birgt Risiko einer «Guillotine-Klausel»
Dies alles soll in einem «Verhandlungspaket» münden, das alle offenen Dossiers im Verhältnis zur EU vereinigt. Es hätte den Vorteil, dass Konzessionen übers Kreuz möglich würden: Gäbe die Schweiz in einem Punkt nach, könnte sie dafür in einem anderen etwas einfordern.
Aber wie jedes wirksame Medikament hat auch dieses Risiken und Nebenwirkungen.
Da ist der Faktor Zeit: Die Verhandlungen über die bestehenden beiden bilateralen Pakete haben Jahre gedauert, bis eine Einigung erzielt worden ist. Für die Forschung zum Beispiel würde das bedeuten, dass sie noch längere Zeit nicht am Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe teilnehmen könnte.
Eine Paketlösung könnte die EU zudem auf die Idee bringen, alle betroffenen Abkommen mit einer «Guillotine-Klausel» zu verknüpfen, wie sie dies schon bei den «Bilateralen I» erfolgreich durchgesetzt hat. Die Kündigung eines Abkommens würde dann automatisch zum Wegfall aller anderen führen.
«Sektorieller» Ansatz hat seine Tücken
Kommt dazu, dass die EU bereits in den Verhandlungen über das Rahmenabkommen von der Schweiz eine Absichtserklärung verlangt hat, wonach später auch das bestehende Freihandelsabkommen aus dem Jahr 1972 «modernisiert» – sprich: neu verhandelt – werden soll. Es würde wenig überraschen, wenn die EU diese «Modernisierung» nun gleich auch noch ins bundesrätliche Vertragspaket aufnehmen möchte.
Schliesslich hat auch der «sektorielle» Ansatz des Bundesrates, die «institutionellen Fragen» in jedem Abkommen separat zu klären, seine Tücken. Um dies zu erreichen, müsste formell jedes der betroffenen Abkommen neu ausgehandelt werden, was bei der EU Gelüste wecken könnte, auch gleich noch ein inhaltliches «Update» dieser Abkommen vorzunehmen. In ihrem Sinn, versteht sich.
Der Bundesrat hat mit seinem Paket-Ansatz Klarheit geschaffen und den Ball wieder ins Feld der EU gespielt. Vielleicht hat er damit auch aber Geister aus Flaschen befreit, denen er lieber nicht begegnet wäre.