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«Arena»: Familien unter Druck «Teils stehe ich Ende Monat nur mit einem Fünfliber im Laden»

Familien in der Schweiz stehen zunehmend unter finanziellem Druck. Ob bei den Mietpreisen, Lebensmitteln oder Krankenkassenprämien: Die Kosten sind teils massiv gestiegen. Muss die Politik jetzt handeln? Wo muss sie den Hebel ansetzen?

Das Leben in der Schweiz ist in der letzten Zeit teurer geworden. Dies trifft auch Mittelstandsfamilien, die spätestens gegen Ende des Monats tiefer ins Portemonnaie schauen müssen.

So ergeht es auch Claudia Schwarz, Sozialversicherungsfachfrau und alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Sie kommt trotz Arbeit nur knapp über die Runden: «Es kommt vor, dass ich am 20. des Monats nur noch mit einem Fünfliber im Laden stehe.»

Andreas Lustenberger, Geschäftsleitungsmitglied der Caritas, berichtet von seinen Erfahrungen: «Immer mehr Menschen, die arbeiten, kommen heute nur noch knapp über die Runden».

Die Gäste in der «Arena»:   

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    Ausserdem im Studio:

  • Andreas Lustenberger, Leiter Bereich Grundlagen und Politik und Geschäftsleitungsmitglied Caritas
  • Marco Salvi, Forschungsleiter Chancen-Gesellschaft Avenir Suisse
  • Claudia Schwarz, erwerbstätige Mutter von drei Kindern

Etwas anders die Einschätzung von Marco Salvi, Forschungsleiter bei Avenir Suisse: «In der Schweiz haben wir starke Familien.» Dies unter anderem aufgrund des guten wirtschaftlichen Umfelds. Ausserdem seien es vor allem alleinstehende Personen, die Sozialhilfe beziehen.

Immer mehr Menschen, die arbeiten, kommen heute nur noch knapp über die Runden.
Autor: Andreas Lustenberger Geschäftsleitungsmitglied Caritas

Während in der «Arena» bei sämtlichen Politikerinnen und Politikern Einigkeit herrscht, dass es nicht zu solch prekären finanziellen Situationen wie bei Claudia Schwarz kommen darf, unterscheiden sich die jeweiligen Lösungsansätze.

Krankes Gesundheitswesen – wie weiter?

SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann fordert, das Gesundheitswesen im Grundsatz zu überdenken. Ansonsten würden die Krankenkassenprämien nie aufhören zu steigen. Steinemann schlägt beispielsweise vor, die freie Arztwahl abzuschaffen: «Dadurch könnten Anreize geschaffen werden, effizient zu arbeiten.» Den Linken wirft die Zürcherin vor, immer mehr Leute vom Staat abhängig machen zu wollen.

Es macht keinen Sinn, dass die öffentliche Hand auf Kosten der privaten Haushalte sparen kann.
Autor: Samira Marti Co-Fraktionschefin SP

Die SP fordert nämlich in ihrer Initiative, dass niemand mehr als 10 Prozent vom Einkommen für die Krankenkassenprämien ausgeben soll. Darum soll die Prämienverbilligung ausgebaut werden. SP-Nationalrätin Samira Marti wirbt für diesen Vorschlag, der darauf abziele, die Kosten fairer zu verteilen und so auch Mittelstandsfamilien zu entlasten. Insbesondere Bund und Kantone sollen mehr finanzielle Unterstützung leisten: «Es macht keinen Sinn, dass die öffentliche Hand auf Kosten der privaten Haushalte sparen kann», so die Baselbieterin.

Nur wenn die Kosten gesenkt werden, ist das Gesundheitskonstrukt weiterhin finanzierbar.
Autor: Stefan Müller-Altermatt Nationalrat Die Mitte/SO

Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt plädiert für die Kostenbremse-Initiative der Mitte. Diese setzt den Hebel auf der Kostenseite an. Steigen die Gesundheitskosten deutlich stärker als die Löhne und die Gesamtwirtschaft, müssen Bund und Kantone Massnahmen ergreifen. «Nur wenn die Kosten gesenkt werden, ist das Gesundheitskonstrukt weiterhin finanzierbar», sagt der Solothurner. Sowohl über die Prämien-Entlastungsinitiative der SP als auch über die Kostenbremse-Initiative der Mitte wird am 9. Juni 2024 abgestimmt.

Patricia von Falkenstein, Nationalrätin LDP und Mitglied der FDP-Bundeshausfraktion, lehnt ihrerseits beide Initiativen ab. «Keine der beiden Initiativen verhilft dem Gesundheitssystem zu mehr Effizienz», kritisiert die Baslerin. Den hohen Krankenkassenprämien könne etwa nur schon im Kleinen entgegengewirkt werden. «Viele Familien wissen nicht, dass sie bei einem Wechsel der Krankenkasse viel einsparen könnten.»

Wie problematisch sind steigende Mietkosten?

Auch die Mietpreise belasten das Haushaltsbudget von Mittelstandsfamilien teils stark. Müller-Altermatt und Marti sind sich einig: Es braucht aktive Bodenpolitik der Gemeinden. Somit liesse sich die Wohnungsnot beheben. Nationale Massnahmen seien fehl am Platz, erklärt Mitte-Politiker Müller-Altermatt – zu unterschiedlich sei die Situation von Region zu Region. SP-Frau Marti legt den Fokus vor allem auf Mietpreiskontrolle und gemeinnützigen Wohnungsbau.

Patricia von Falkenstein und Barbara Steinemann bemängeln die zahlreichen Vorschriften, die es verhindern, den dringend nötigen Wohnungsraum zu schaffen oder den bereits bestehenden zu sanieren. «Die linke Politik verhindert den Bau neuer Wohnungen. Deshalb steigen die Mietkosten für Familien», erklärt von Falkenstein.

Nach einer Tour d’Horizon zu den verschiedensten Bereichen, in welchen Familien entlastet werden könnten, kommt am Schluss der Sendung noch einmal Claudia Schwarz zu Wort. Ihre abschliessende Botschaft: «Armut ist nicht gleich Sozialhilfe. Viele Menschen teilen mein Schicksal – dies muss anerkannt werden.»

Arena, 22.03.24, 22:25 Uhr

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