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Steigende Kosten Familien finanziell am Limit: «Jeder Monat ist ein Kampf»

Für viele Familien reicht das Einkommen kaum zum Leben. Das gibt den beiden Initiativen zu tieferen Kosten im Gesundheitswesen der Mitte und SP im Wahlkampf Aufwind.

Im weissen Schrank im Kinderzimmer stapeln sich Lebensmittel; neben diversen Nudelpackungen stehen allerlei Aktionskartons. «Jeder Monat ist ein Kampf – am Ende ist meistens nichts mehr übrig», sagt Claudia Pacelli und räumt mehrere Packungen Rösti in den Schrank. Die 38-Jährige ist alleinerziehende Mutter von vier Kindern und muss finanziell mit dem auskommen, was sie von der Sozialhilfe erhält.

Entsprechend achtet Claudia Pacelli beim Einkaufen stets auf Rabatte. «Wenn etwas Aktion ist, kaufe ich es mehrfach und bunkere es in diesem Schrank. So haben wir Ende Monat etwas, wenn das Geld knapp wird», erklärt sie.

Claudia Pacelli steht im Kinderzimmer.
Legende: Sie dreht jeden Rappen um, um über die Runden zu kommen: Claudia Pacelli vor dem Lebensmittelschrank im Kinderzimmer. srf

Die finanziell angespannte Lage ist auch für ihre Kinder im Alter von 4 bis 17 Jahren nicht einfach. «Meine Tochter würde gerne ins Geräteturnen. Wir müssen jetzt mit den Grosseltern schauen, ob sie das finanzieren können», so Pacelli.

Finanzieller Druck auf Familien steigt

Mit den höheren Lebensmittelpreisen sowie steigenden Miet- und Gesundheitskosten hat sich nicht nur die Situation der Familie Pacelli verschlechtert. Eine neue Studie von Pro Familia zeigt: 45 Prozent der Familien kommen mit ihrem Einkommen nur knapp über die Runden. Bei sieben Prozent reicht das Einkommen gar nicht aus.

Die wichtigsten Punkte des Familienbarometers 2024

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  • Der finanzielle Druck auf Familien in der Schweiz wird immer grösser: Für 45 Prozent reicht das Einkommen nur knapp – für sieben Prozent gar nicht.
  • 49 Prozent der Familien überlegen sich, aus finanziellen Gründen das Arbeitspensum zu erhöhen.
  • Für vier von zehn Familien sind die Kosten ein Grund, auf weitere Kinder zu verzichten.
  • Die steigenden Krankenkassenprämien beschäftigen Familien am meisten (47 Prozent), gefolgt von der Inflation (37 Prozent).
  • In der Romandie und im Tessin ist die finanzielle Lage von Familien besonders prekär.

Das ganze Familienbarometer von Pro Familia und dem Vorsorgeversicherer Pax gibt es hier zum Nachlesen.

Das grösste Problem gemäss Studie: die Krankenkassenprämien. Sie machen den Familien mit 47 Prozent am meisten zu schaffen. Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt ist vom Ergebnis nicht überrascht und betont: «Wir müssen jetzt die Kosten senken, auch die Prämien.» Er und seine Partei setzen daher auf die Kostenbremse-Initiative.

Mit ihr will die Mitte die «Kostenexplosion» im Gesundheitswesen stoppen. Die Forderung: Steigen die Gesundheitskosten im Vergleich zu den Löhnen zu stark, müssten Bund und Kantone Massnahmen ergreifen. Für die Abstimmung im Juni rechnet sich Müller-Altermatt gute Chancen aus. Denn das Familienbarometer bekräftige nun, wie gross das Problem der steigenden Prämien sei.

SP mit anderem Vorschlag – SVP will von beiden nichts wissen

Die SP um Nationalrätin Samira Marti will das gleiche Problem angehen, setzt aber auf einen anderen Lösungsansatz: die Prämien­entlastungs­initiative, die ebenfalls am 9. Juni vors Volk kommt. Die Forderung: Niemand solle mehr als zehn Prozent des Einkommens für Prämien ausgeben müssen. «Mit unserer Initiative wollen wir bei den steigenden Krankenkassenprämien Entlastung bringen und die Prämien deckeln, damit die Explosion der Kosten für die Familien aufhört», erklärt die SP-Politikerin.

Keinen Anklang finden die beiden Vorstösse bei der SVP. Nationalrätin Diana Gutjahr lehnt sie ab – trotz der Studienergebnisse. «Es wird herausfordernd, gegen die beiden Initiativen anzutreten, weil es verlockend klingt, nicht mehr als zehn Prozent seines Einkommens für Krankenkassenprämien ausgeben zu müssen. Aber das hat einen direkten Zusammenhang mit höheren Steuern, die den Mittelstand und vor allem auch Familien betreffen.» So hätten diese am Ende des Monats weniger Geld in der Tasche.

Wir waren seit drei Jahren nirgends mehr in den Ferien.
Autor: Claudia Pacelli Alleinerziehende Mutter

Unabhängig vom Ausgang der nächsten Abstimmungen hofft Claudia Pacelli, dass die Gesundheitskosten sinken – damit ihrer Familie am Ende des Monats mehr Geld für andere Dinge bleibt. Zum Beispiel für Ferien. Sie habe kürzlich das Gesuch für eine Woche Reka-Ferien in der Schweiz abgeschickt. «Das ist ein Lichtblick. Denn wir waren seit drei Jahren nirgends mehr», sagt Pacelli und schliesst den weissen Vorratsschrank im Kinderzimmer.

Sie wollen mehr zum Thema wissen? Im «Input»-Podcast taucht Julia Lüscher in das Leben einer alleinerziehenden Mutter ein, die mit ihrer Tochter in einer Gross-WG wohnt:

Heute Morgen, 14.03.2024, 6 Uhr

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