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«Arena» zu den Corona-Mails Indiskretionen oder Kampagne gegen Berset?

Im Zusammenhang mit den Informationslecks in der Corona-Krise hat SP-Vizepräsidentin Jacqueline Badran eine mögliche Kampagne gegen Gesundheitsminister Alain Berset angedeutet. Erstmals hat die SP-Spitze damit in der «Arena» Stellung zu den Vorwürfen gegen ihren Bundesrat genommen.

«Es wird hier suggeriert, Alain Berset habe systematisch Informationen geleakt und er habe darüber Bescheid gewusst», sagte SP-Vizepräsidentin Jacqueline Badran in der «Arena» am Freitagabend. Es handle sich hierbei um ein «Sammelsurium an Unterstellungen».

Politik und Medien sollten sich mit Vorverurteilungen zurückhalten, so Badran weiter. Eine Amtsgeheimnisverletzung sei zwar gravierend, müsse untersucht und gegebenenfalls geahndet werden. Es sei aber keineswegs klar, ob eine solche auch tatsächlich vorliege.

Die Gäste in der «Arena»

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  • Jacqueline Badran , Vizepräsidentin SP
  • Daniel Fässler , Ständerat Die Mitte/AI
  • Markus Somm , Verleger und Chefredaktor «Nebelspalter»
  • Peter Rothenbühler , ehem. Chefredaktor «Sonntagsblick»

Ausserdem im Studio:

  • Andrea Masüger , Präsident Verband Schweizer Medien

Moderiert von Sandro Brotz .

Die Spitzen von Ringier und Blick-Gruppe wurden in die «Arena» eingeladen, haben aber verzichtet, an der Sendung teilzunehmen.

Mit Jacqueline Badran äusserte sich erstmals ein Mitglied der SP-Parteispitze zu den Indiskretionen, welche CH Media publik gemacht hatte. Diese zeigen, dass der ehemalige Kommunikationschef von SP-Bundesrat Alain Berset während der Corona-Pandemie systematisch vertrauliche Informationen an Ringier-CEO Marc Walder weitergegeben haben soll. Die Rede ist von 180 Mails.

Dieser Darstellung widersprach Jacqueline Badran in der «Arena». Es handle sich bisher um lediglich zwei relevante Mails. Von einer systematischen Weitergabe von vertraulichen Informationen könne keine Rede sein. Man habe es hier womöglich mit einer Kampagne gegen Berset und die SP zu tun, deutete Badran an.

Darum geht es bei den Corona-Indiskretionen

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Die Zeitung «Schweiz am Wochenende» enthüllte, der frühere Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset, Peter Lauener, habe dem Verlagschef von Ringier, Marc Walder, während der Corona-Pandemie vertrauliche Informationen zugespielt.

Zwischen dem damaligen Pressesprecher und dem Ringier-CEO sollen laut Medienberichten 180 Kommunikationsvorgänge dokumentiert sein. Dies würden Mails und Einvernahmeprotokolle zeigen. Der «Blick» soll damit mehrmals vorzeitig über Entscheide des Bundesrats informiert gewesen sein und diese publik gemacht haben.

Mittlerweile befassen sich bald drei Sonderermittler mit der Angelegenheit. Sonderermittler Peter Marti wurde von der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft eingesetzt, um Indiskretionen im Zusammenhang mit der Krypto-Affäre zu untersuchen. Seine Ermittlungen dehnte er in der Folge in Absprache mit der Aufsichtsbehörde auch auf mögliche Leaks während der Corona-Zeit aus.

Dadurch geriet Lauener als damaliger Kommunikationschef von Bundesrat Berset ins Visier von Sonderermittler Marti. Lauener reichte deshalb gegen diesen Strafanzeige ein. Der Vorwurf: Marti habe seine Ermittlungen unrechtmässig ausgeweitet.

Als Folge dieser Anzeige ermittelt der ausserordentliche Staatsanwalt Stephan Zimmerli gegen Peter Marti.

Schon bald könnte ein dritter Sonderermittler seine Arbeit aufnehmen. Dieser soll die jüngsten Leaks aus der Justiz an die Medien untersuchen. Auch hier gilt die Unschuldsvermutung.

Anders als Badran ordnete Markus Somm, Chefredaktor «Nebelspalter», die Angelegenheit ein: «Es ist skandalös, wie systematisch und regelmässig Informationen ausgetauscht wurden.» Es handle sich um einen schwerwiegenden Fall grossen Ausmasses. Der «Blick» habe mit der vorzeitigen Veröffentlichung von Informationen den Bundesrat unter Druck gesetzt und mithin Entscheidungen vorweggenommen.

«Sollte Berset davon gewusst haben, muss er gehen. Bundesräte mussten schon wegen weniger gravierender Vorwürfe zurücktreten.» Somm spielte damit auf den Rücktritt von Alt-Bundesrätin Elisabeth Kopp an, welche 1988 wegen einer angeblichen Amtsgeheimnisverletzung zurücktrat, später jedoch vom Bundesgericht freigesprochen wurde.

Der Investigativjournalismus beruht in 99 Prozent der Fälle auf Dossiers, die eine untreue Seele dem Journalisten in die Hände gedrückt hat.
Autor: Peter Rothenbühler Ehemaliger Chefredaktor «Sonntagsblick»

Die Macht des «Blicks» dürfe man nicht überschätzen, entgegnete Peter Rothenbühler, ehemaliger Chefredaktor «Sonntagsblick». Es sei ausgeschlossen, dass Medien den Bundesrat auf diese Weise beeinflussen könnten. Ausserdem sei es nichts als normal, dass Zeitungen vertrauliche Informationen zugespielt bekommen. «Investigativer Journalismus beruht in 99 Prozent der Fälle auf Dossiers, die eine untreue Seele dem Journalisten in die Hände gedrückt hat.» Es sei Aufgabe der Journalistinnen und Journalisten dann herauszufinden, ob die zugespielten Informationen stimmen.

Welche Rolle spielen die Medien?

«Indiskretionen gehören nicht nur zu unserem Informationssystem, sie sind auch vom System gewollt», erklärte Andrea Masüger, Präsident des Verlegerverbands Schweizer Medien. So habe es in der Vergangenheit viele Fälle gegeben, die nur über Indiskretionen ans Licht gekommen seien. Wenn vertrauliche Informationen veröffentlicht werden, dann sei das ein Problem der Politik, aber nicht der Medien. «Wenn Medienschaffende Informationen erhalten, die stimmen, dann ist es in einer freien, offenen Gesellschaft Courant normal diese zu publizieren.»

Ein Amtsgeheimnis muss gewahrt werden, von der Justiz, den Medien sowie den politischen Behörden.
Autor: Daniel Fässler Mitte-Ständerat

«Den Medien steht zur Informationsbeschaffung das Öffentlichkeitsgesetz zur Verfügung», konterte Mitte-Ständerat Daniel Fässler. Mit diesem Instrument könne man amtliche Dokument einfordern. Indiskretionen hingegen seien schädlich für die demokratischen Institutionen.

Die Arbeit in politischen Gremien werde dadurch massiv erschwert, so Fässler. «Dass es verschiedene Qualitäten von Indiskretionen gibt, möchte ich in Abrede stellen.» Ein Amtsgeheimnis sei in jedem Fall zu wahren. Ständerat Fässler forderte deshalb, dass die Angelegenheit rund um Bundesrat Berset untersucht wird.

Was genau geschehen ist, ist Gegenstand einer laufenden Untersuchung. Es gilt die Unschuldsvermutung. Anfangs kommender Woche entscheiden die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat, ob und wie sie in dieser Sache aktiv werden wollen.

Arena, 20.01.2023, 22:25 Uhr

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