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«Arena» zur Gleichberechtigung Streit um Strafmass für Vergewaltiger

Für Opfer von sexueller Gewalt ist die Revision des Sexualstrafrechts eine Errungenschaft, befanden die Gäste in der «Arena». Bei der Debatte um die Mindeststrafe für Täter, den Frauenstreik oder die Lohngleichheit war man sich aber ansonsten ganz und gar uneins.

Der Schutz von Opfern sexueller Gewalt wird gestärkt: Mit der heutigen Schlussabstimmung haben sich Ständerat und Nationalrat auf die sogenannte «Nein-heisst-Nein»-Lösung im Sexualstrafrecht geeinigt, die den Tatbestand der Vergewaltigung ausweitet.

Die Änderung sei ein riesiger Fortschritt, sagte Grüne-Nationalrätin Irène Kälin in der «Arena». «Mit dem alten Recht konnte es gar kein Rechtsverfahren geben, wenn keine Gewalt oder Nötigung im Spiel war.»

Auch SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann sprach von einer positiven Entwicklung, zeigte sich aber unzufrieden mit der Höhe der Mindeststrafe für Vergewaltigung mit Nötigung. Diese bleibt bei einem Jahr. «Ein rechtskräftig verurteilter Vergewaltiger kann damit nach wie vor als freier Mann den Gerichtssaal verlassen. Das ist ein Schlag ins Gesicht für das Opfer», sagte Steinemann. Die Linken hätten sich gegen eine Erhöhung der Mindeststrafe gesperrt.

«Wenn das Opfer weiss, dass der Täter zwingend ins Gefängnis muss, hat das einen grossen Einfluss darauf, ob das Opfer den Täter anzeigt», erklärte SP-Nationalrätin Tamara Funiciello. Denn oft komme der Täter aus dem eigenen Umfeld. Nur acht Prozent der Vergewaltigungen würden heute angezeigt. «Eine höhere Strafe könnte einen Täter abschrecken, überhaupt eine Tat zu begehen», gab die Präsidentin der Mitte-Frauen Christina Bachmann-Roth zu Bedenken.

Die Revision des Sexualstrafrechts war eine der grossen Forderungen des Frauenstreiks vor vier Jahren 2019. Diesen Mittwoch standen nun wieder zahlreiche Frauen anlässlich des Frauenstreiks in der ganzen Schweiz für die Gleichberechtigung der Geschlechter ein. Die Ansichten, wie es um diese steht, widersprachen sich in der «Arena» aber diametral.

«Die Gleichstellung ist heute erreicht», sagte etwa Steinemann, «vor allem im Sinne der Chancengleichheit.» Auch die Inhalte des Frauenstreiks widerspiegelten die Entwicklung. «Es wird nur noch linke Ideologie propagiert», sagt die SVP-Nationalrätin.

Die Gäste in der «Arena»

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  • Christine Bachmann-Roth , Präsidentin Mitte-Frauen
  • Tamara Funiciello , Nationalrätin SP/BE, Co-Präsidentin SP-Frauen
  • Irène Kälin , Nationalrätin Grüne/AG
  • Barbara Steinemann , Nationalrätin SVP/ZH.

Ausserdem im Studio:

  • Luis Deplazes , Präsident Jungfreisinnige Kanton Zürich
  • Lukas Auer , Präsident Thurgauer Gewerkschaftsbund

Moderiert von Sandro Brotz .

Die Gleichstellung sei kein Fakt, widersprach Funiciello. «Frauen und Männer verdienen für gleiche Arbeit nach wie vor nicht gleich viel Lohn, Frauen erleben immer noch massive sexualisierte Gewalt, die Erziehungs- und Pflegearbeit ist nicht rentenbildend.» Die Frauenbewegung finde nicht nur im Bundeshaus statt. Es brauche den Druck von der Strasse. Das zeige etwa die Revision des Sexualstrafrechts.

Die Gleichstellung sei zwar tatsächlich noch nicht erreicht, sagte Bachmann-Roth, «doch wir haben andere Gefässe für solche gemeinsamen Ziele». Die Forderungen des Frauenstreiks, etwa die Abschaffung des Dreisäulensystems der Altersvorsorge oder eine Einheitskrankenkasse, seien «zu extrem» und beziehen nicht alle Frauen mit ein.

Die Forderungen seien an einer öffentlichen Versammlung ausgearbeitet worden und jede habe sich für die Inhalte einsetzen können, erwiderte Kälin den Vorwurf, der Streik sei zu einer linken Bewegung verkommen. Auch die Themen seien keineswegs nur links: «Seit 1981 gilt gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Doch noch heute gibt es einen unerklärten Lohnunterschied von 7.8 Prozent zwischen Frauen und Männern, wie Zahlen des Bundes zeigen.»

Meine Tochter soll in zehn, fünfzehn Jahren nicht für die gleichen Anliegen streiken müssen.
Autor: Lukas Auer Präsident Thurgauer Gewerkschaftsbund

In der Lohnstrukturerhebung des Bundes fehlten relevante Faktoren wie die effektive Arbeitserfahrung im Beruf als Kriterien, sagte Luis Deplazes, Präsident Jungfreisinnige Kanton Zürich. «Es ist schwierig, über die Lohnunterschiede zu sprechen, wenn die Datengrundlage auf statistisch wackligen Beinen steht.»

Klar sei, dass wenn Frauen benachteiligt würden, das auf die ganze Familie abfärbe, sagte Lukas Auer, Präsident Thurgauer Gewerkschaftsbund. Deshalb plädierte er dafür, auf die Inhalte des Frauenstreiks einzugehen. «Meine Tochter soll in zehn, fünfzehn Jahren nicht für die gleichen Anliegen streiken müssen», sagte Auer.

Arena, 16.06.2023, 22:25 Uhr

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