Bürgerliche kritisierten am Mittwoch im Ständerat, die Schweiz sei nicht fähig, sich zu verteidigen. Und eine engere Zusammenarbeit mit der Nato sei nur möglich, wenn die Schweiz die Wiederausfuhr von Waffen an die Ukraine erlaube. Bundesrätin Viola Amherd nimmt im Interview Stellung.
SRF News: Aus Sicht bürgerlicher Parlamentarier ist die Schweiz nicht mehr fähig, sich selber zu verteidigen. Da müsste es doch Ihre oberste Priorität sein, schnell aufzuzeigen, wie sich die Armee an die Zeitenwende Ukraine-Krieg anpassen muss.
Viola Amherd: Ja, das machen wir auch. Wir haben bereits verschiedene Berichte verfasst zur Entwicklung der Luftverteidigung, der Bodentruppen, zum Cyberspace. Dort stimmt eigentlich alles mit den heutigen Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg überein.
Aber für die Bodentruppen hiess es beispielsweise, die würden keine neuen Kampfpanzer mehr brauchen. Und die konventionelle Kriegsführung sei weniger wahrscheinlich. Das wurde eigentlich widerlegt durch den Ukraine-Krieg.
Im Boden-Bericht heisst es nur, welche Aufgaben die Armee erfüllen muss. Ob sie diese Aufgaben mit einem Panzer erfüllt, der eine Kette hat oder mit einem, der ein Rad hat, spielt keine Rolle. Klar ist, dass man geschützte und schwere Fahrzeuge auch in Zukunft braucht.
Rüstungsbeschaffung geht nicht von heute auf morgen.
Lassen Sie auch die Kritik der Bürgerlichen nicht gelten, dass die Armee zu wenig schnell ist?
Weil die Armee jahrelang zu wenige finanzielle Mittel gehabt hat, musste sie priorisieren. Jetzt müssen wir das alles aufholen. Und so eine Rüstungsbeschaffung geht nicht von heute auf morgen. Sie können nicht ums Eck in den nächsten Laden gehen und einen Panzer kaufen. Die Beschaffungen brauchen auch eine gewisse Zeit.
Der Bundesrat will sich ja nun mehr Zeit lassen mit der Aufstockung des Militärbudgets. Das Parlament hatte mehr Tempo gefordert. Hätten Sie da als Verteidigungsministerin nicht stärker insistieren müssen?
Das Parlament hat noch viele andere Ausgaben beschlossen, und wir können die Schuldenbremse nicht mehr einhalten. Das heisst, es braucht Einsparungen und es müssen alle einen Teil dazu beitragen.
Aber hätten Sie auch kreativer werden können – Stichwort Spezialfinanzierung?
Ich bin überzeugt, dass eine Spezialfinanzierung keine Chance gehabt hätte im Parlament. Wir haben schon viele Spezialfinanzierungen: im Bereich Bahninfrastrukturfonds, National- und Agglomerationsfonds und so weiter. Wenn das Parlament weitere einrichtet, hat es überhaupt keinen Handlungsspielraum mehr.
Der Bundesrat will enger mit der Nato zusammenarbeiten. Wie soll diese Kooperation konkret aussehen?
Wir haben heute schon Leute, die Ausbildungen machen mit der Nato. Diesen Bereich wollen wir verstärken. Wir können ein Rahmenabkommen abschliessen, in dem wir festlegen, wo wir die Kooperation vertiefen wollen. Ich treffe bald zum dritten Mal Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Wir tauschen uns über die Themen aus und kommen dann mit konkreten Vorschlägen.
Mitte-Ständerat Charles Juillard war kürzlich Teil einer Parlamentsdelegation, die nach Brüssel gereist ist. Er sagt, die Nato wolle nur dann enger mit uns zusammenarbeiten, wenn die Schweiz die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen in die Ukraine erlaubt.
Bisher hat Jens Stoltenberg mir gesagt, dass die Nato offen ist für eine engere Zusammenarbeit. Aber die Frage der Wiederausfuhrverbote wird von allen meinen internationalen Gesprächspartnern aufs Tapet gebracht.
Dann müsste es für den Bundesrat ja hohe Priorität haben, dass für die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen eine Lösung gefunden wird. Aber er hat erst letzte Woche einen entsprechenden Vorstoss zur Ablehnung empfohlen.
Der Bundesrat wird dieses Thema nochmal diskutieren können, weil es weitere Vorstösse gibt. Ich kann dem nicht vorgreifen, sondern nur sagen: Aus sicherheitspolitischer Sicht ist es wichtig, dass wir eine internationale Zusammenarbeit haben und unsere Rüstungsindustrie stärken können.
Das Gespräch führte Larissa Rhyn.