Nach zwei Jahren Pandemie und einschränkenden Massnahmen kehrt die Schweiz praktisch zurück zur Normalität. Einzig im öffentlichen Verkehr und in Gesundheitseinrichtungen gilt noch bis Ende März eine Maskenpflicht.
«Die Lockerungen sind im Prinzip angebracht», sagt die Virologin Isabella Eckerle. Der Omikron-Peak sei überschritten, 70 Prozent der Bevölkerung seien geimpft. Dank letzteren seien die Spitäler nicht überlastet.
Vulnerable Personen nicht mehr geschützt
Die Leiterin des Zentrums für Infektionskrankheiten an der Universität Genf betont im «Tagesgespräch» von Radio SRF aber auch, dass die Pandemie global betrachtet damit keineswegs vorbei sei. Und mit dem Ende der Massnahmen in der Schweiz seien insbesondere vulnerable Personen, also Risikogruppen, jetzt nur noch wenig geschützt.
Für Eckerle wäre es deshalb besser gewesen, wenn die Maskenpflicht noch etwas länger beibehalten worden wäre. «Die Masken sind zwar lästig, fordern dem Einzelnen aber nicht wirklich viel ab. Ausserdem kann man die Risikogruppen sehr gut schützen, wenn wirklich alle eine Maske tragen», so die Virologin.
Man kann die Risikogruppen sehr gut schützen, wenn wirklich alle eine Maske tragen.
Eckerle rechnet denn auch damit, dass die Infektionszahlen in nächster Zeit wieder ansteigen werden. Dasselbe habe man auch in Dänemark beobachtet, als die Covid-Massnahmen aufgehoben worden seien. Allerdings glaubt sie nicht, dass die Spitäler überlastet werden – solange nicht neue, gefährlichere Virusvarianten auftauchen.
Omikron-genesene Ungeimpfte schlecht geschützt
Grund für ihren aktuellen Optimismus ist die gegen schwere Verläufe sehr gut wirkende Impfung – «vor allem dann, wenn man sich auch hat boostern lassen».
Sie wirke auch gegen die Omikron-Variante gut, betont die Virologin. Sie warnt aber davor, dass auch Omikron bei Ungeimpften zu schweren Verläufen führen kann. Deshalb: «Sich leichtfertig damit infizieren zu lassen, ist nicht zu empfehlen.»
Sowieso empfiehlt Eckerle dringend, sich impfen zu lassen, wenn man das noch nicht getan hat. Denn Ungeimpfte, auch wenn sie in den letzten Wochen mit Omikron infiziert worden sind, sind vor einer neuen Infektion nur wenig geschützt.
Sich leichtfertig mit Omikron infizieren zu lassen, ist nicht zu empfehlen.
Weil Omikron nur eine sehr schwache Immunantwort auslöse, würden diese Personen möglicherweise schon bald erneut angesteckt – sei es mit einer Untervariante von Omikron oder einer anderen, vielleicht neuen Coronavirus-Variante, so die Genfer Institutsleiterin. «Dieser Herausforderung müssen wir uns jetzt widmen», stellt sie fest.
Das Virus wird sich weiterentwickeln
Insgesamt sei völlig unklar, wie sich die Pandemie in den nächsten Monaten und Jahren weiter entwickeln wird: «Von sehr optimistisch – das Virus wird endemisch, es entwickeln sich keine neuen, gefährlicheren Varianten mehr – bis zu einem Worst-Case-Szenario mit neuen, schwer krank machenden Varianten ist alles möglich!», so Eckerle. «Wir wissen es einfach nicht.»
Voraussagen sind kaum möglich.
Das Problem: Sars-CoV-2 zirkuliert weltweit weiter, und das mit derzeit sehr hohen Ansteckungszahlen. Und je mehr Infektionsfälle es gibt, umso mehr Gelegenheit hat das Virus, sich weiterzuentwickeln – in welche Richtung auch immer. «Das ist ein hochdynamisches Geschehen, hierzu sind kaum Voraussagen möglich», betont die Virologin.
Unter starkem evolutionärem Druck
Ausserdem stehe Sars-CoV-2 evolutionär zunehmend unter stärkerem Druck: Weil viele Menschen entweder geimpft, genesen oder zumindest mit dem Virus in Kontakt gekommen sind, muss sich das Virus zwingend weiter verändern, wenn es überleben will. Deshalb – und zusammen mit den weltweit zig-Millionen aktuellen Krankheitsfällen – sei nicht abzusehen, womit wir nächsten Herbst und Winter rechnen müssen, so Eckerle.
Wichtig sei deshalb, dass das Infektionsgeschehen in der Schweiz weiterhin überwacht und dokumentiert wird – auch wenn in nächster Zeit sicher nicht mehr so viel getestet wird wie in den letzten Monaten.