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Ausbau der Erneuerbaren Streit ums Restwasser: Der Ständerat gibt seinen Widerstand auf

Seit über zwei Jahren wälzt das Parlament den sogenannten «Energie-Mantelerlass». Nun biegt das Riesenprojekt auf die Zielgerade ein: Der Ständerat hat in einem der grössten Streitpunkte nachgegeben.

Beim letzten grossen Streitpunkt zwischen den Räten ging es ums Wasser. Genauer um das Wasser, das Betreiber von Wasserkraftwerken nicht für die Stromproduktion nutzen dürfen, sondern ungenutzt abfliessen lassen müssen. Das schützt die Fische und die Artenvielfalt in der Bergnatur.

Der Ständerat wollte diese Schutzregel stets lockern und hatte ein Jahr lang dafür gekämpft. Er wollte, dass Wasserkraftwerke mehr Wasser für mehr Stromproduktion haben.

Das letzte Aufbäumen

Mitte-Ständerat Daniel Fässler warnte im Rat erneut: Ohne Lockerung fehle dem Land Strom. «Wir wissen schon jetzt, dass wir die Produktionsziele nicht erreichen, um eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Wir wissen schon jetzt, dass bei der Wasserkraft ab 2030 Produktion verloren geht.»

Gleicher Ansicht war Martin Schmid von der FDP. Auch er versuchte es noch einmal: Die Lockerung sei nicht dramatisch. Der Bundesrat würde sie nur in Kraft setzen, wenn die Schweiz ihre Ziele für den Ausbau der Stromproduktion verfehle. «Ich möchte nicht, dass der Bundesrat wieder ein Ölkraftwerk wie in Birr baut und eine halbe Milliarde ausgibt. Und das nur, weil ihm die Kompetenzen fehlen, um sich in einer drohenden Mangellage richtig zu verhalten.»

Kostbares Restwasser ...

Doch es war nicht mehr als ein letztes Aufbäumen: Der Nationalrat hat bereits auf nennenswerte Einschnitte in der Wasserfrage verzichtet. Nun schwenkte auch der Ständerat um.

Ein Grund dafür war der Naturschutz. SVP-Ständerat Jakob Stark argumentierte so: «Das Restwasser wird infolge warmer Sommer immer kostbarer. Für die Fische ebenso wie die Land- und die Alpwirtschaft.»

... und die Angst vor dem Volk

Das wohl wichtigste Argument war aber die Angst vor dem Volk, genauer vor einem Referendum der Naturschutzorganisationen. SVP-Energieminister Albert Rösti kämpft seit seinem ersten Amtstag für ein Nachgeben, damit das Referendum nicht kommt.

Es gehe ohnehin in den nächsten Jahren um nicht viel zusätzlichen Strom, erklärte Rösti im Rat. «Heute und kurzfristig sprechen wir über eine relativ kleine Zahl. Wenn wir damit in einer Volksabstimmung die Vorlage gefährden, werden wir am Schluss Stillstand haben.»

Rösti bringt Räte zum Einlenken

Rösti hat Erfolg. Die Mehrheit des Ständerats gab nach und sein Plan ging auf: Er brachte Ständerat und den Nationalrat zum Nachgeben. Den Ständerat beim Restwasser, den Nationalrat letzte Woche bei der Solarpflicht. Eine Solarpflicht für alle Häuser ist vom Tisch. Pflicht werden Solarpanels nur für grosse Neubauten – eine Regel, die übrigens befristet heute schon gilt.

Das ist eine Riesenleistung des Parlaments im Interesse der Stromproduktion.
Autor: Albert Rösti Energieminister

Die Solarpflicht also ist deutlich abgeschwächt. Eingriffe beim Wasser für Wasserkraftwerke sind abgewendet. Bundesrat Rösti zeigte sich zufrieden und strich die beschlossenen Neuerungen hervor: Zum Beispiel hat das Parlament für 16 Wasserkraftprojekte an der Trift im Berner Oberland oder am Gornergletscher Hürden beim Naturschutz aus dem Weg geräumt.

«Bei 16 Projekten wird in der Güterabwägung die Stromproduktion vor den Naturschutz gestellt: Das ist eine Riesenleistung des Parlaments im Interesse der Stromproduktion», bilanzierte der Energieminister. Mit diesem Lob biegt die Energie-Megavorlage auf die Zielgerade ein. Verbliebene, kleinere Streitpunkte, dürfte das Parlament nächste Woche klären.

Rendez-vous, 19.9.2023, 12:30 Uhr

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