Die Stimmung ist angespannt auf dem Gütsch oberhalb von Andermatt UR. Die Monteure kontrollieren noch ein letztes Mal, ob alle Schrauben sitzen, bevor der Rotor des neuen Windrads hochgezogen und an der Turmspitze montiert wird. Der bestehende Windpark wird derzeit ausgebaut. Künftig stehen hier sieben Windräder.
Viele gescheiterten Projekte
Dass Windräder überhaupt installiert werden, so wie derzeit auf dem Gütsch, ist immer noch eine Seltenheit in der Schweiz. Denn trotz breiter Zustimmung zum Ausbau der erneuerbaren Energien an der Urne gibt es häufig viele Einsprachen gegen die einzelnen Projekte. Die Folge sind Verzögerungen oder Projektabbrüche. Für Michael Frank, den Direktor des Verbands der Schweizerischen Elektrizitätswerke, ein Ärgernis: «Es ist paradox und eine schwierige Situation, weil man ‹Ja› gesagt hat zur Energiewende, aber ‹Nein› zur konkreten Ausführung.»
Laut der Politologin Cloé Jans begünstigt das politische System der Schweiz den Widerstand gegen die Ausbauprojekte. «Das politische System der Schweiz kennt viele Vetopunkte, von einem Referendum auf nationaler Ebene bis hin zu Einsprachen von einzelnen Personen auf lokaler Ebene. Da braucht es zum Teil nur den Widerstand einer kleinen, gut organisierten Gruppe, mit der man sehr viel verhindern oder verzögern kann.»
Die Energiebranche geht davon aus, dass bis 2035 nicht so viel Strom aus den Erneuerbaren stammen wird wie geplant und das Ausbauziel damit deutlich verfehlt wird. Sie rechnet deshalb mit Unsicherheiten in der Versorgungssicherheit. «Das schlägt auf den Strompreis für die Wirtschaft und für die Gesellschaft. Zudem müssen wir zusätzliche Produktion hochfahren. Und das, was am schnellsten gebaut werden kann, werden Gaskraftwerke sein», so Frank.
Auf dem Gütsch gilt es nun ernst. Langsam zieht der Kran den Rotor hoch. Nach anderthalb Stunden ist es geschafft und die Nabe mit den Rotorblättern wird an der Turmspitze befestigt. Für den Projektleiter Markus Russi ist es ein Erfolg, auch weil gegen den Windpark keine einzige Einsprache eingegangen ist. Dieses Ausbauprojekt könnte deshalb anderen als Vorbild dienen.
Gründe für Akzeptanz der Windräder auf dem Gütsch
Die Erklärung von Russi: Die Bevölkerung ist am lokalen Elektrizitätswerk und damit auch am Windpark beteiligt, aber nicht nur das. «Der Grund ist, dass auf dem Gütsch die Infrastruktur vorhanden war. Es hat Skianlagen und Militäranlagen aus der Vergangenheit. Ausserdem haben wir beim Projekt früh den Dialog mit den massgebenden Umweltverbänden gesucht. Deshalb hatten wir keine Einsprachen», so der Projektleiter des Elektrizitätswerks Ursern.
Im Herbst sollen die neuen Windräder auf dem Gütsch oberhalb von Andermatt ans Netz gehen. Alle Anlagen zusammen liefern dann Strom für knapp 5000 Haushalte. Die Schweiz kommt ihrem Ausbauziel bis 2035 damit einen kleinen Schritt näher.