Ein Video zeigt, wie gefährlich die Situation am Samstag bei der Chauderon-Brücke im Lausanner Stadtzentrum war: Ein 56-jähriger Mann überholt mit einem Sportwagen eine wartende Kolonne von Fahrzeugen, ignoriert die Haltezeichen der Polizisten und bahnt sich einen Weg mitten durch die Menge.
Zum Zeitpunkt des Vorfalls befanden sich zwischen 1500 und 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Pro-Palästina-Demonstration auf der Strasse. Zwei Menschen wurden leicht verletzt.
Der 56-jährige Fahrer aus Lausanne wurde von der Polizei festgenommen und zwei Tage in Gewahrsam genommen. Am Montagabend liessen die Behörden ihn wieder frei. Die Staatsanwaltschaft konnte nach einer Befragung «jegliche politische oder ideologische Motive» ausschliessen. Sie teilt mit, dass sein Gesundheitszustand bei seinem Verhalten eine Rolle gespielt haben könnte.
Es ist eine Katastrophe.
Gegenüber «24 Heures» sprach der Mann über das Geschehene. «Es ist eine Katastrophe. Ich wollte das alles nicht», sagt er. «Ich wollte niemandem wehtun. Ich hatte es eilig und dachte, ich könnte mit dem Auto durch die Menschenmenge fahren.»
Dass es sich um eine Pro-Palästina-Demonstration gehandelt habe, will er nicht bemerkt haben. Vielmehr hielt er die Blockade für eine Aktion von Klimaschützern und habe sich darüber geärgert. Die Fahrt durch die Menge sei aus einer «emotionalen Reaktion» geschehen, wie er der Zeitung sagt.
Polizei hatte keine Informationen zur Demo-Route
Hätte die Demonstration besser geschützt werden müssen? Der Mediensprecher der Lausanner Stadtpolizei, Christian Pannatier, nimmt gegenüber RTS Stellung. Die Demonstration sei nicht bewilligt gewesen, deshalb sei für die Polizei die Demo-Route nicht vorhersehbar. Informationen dazu erhalte sie keine. Was bedeute, dass die anwesenden Polizisten jeweils reagieren statt antizipieren müssten.
Der Polizist wäre selbst fast überfahren worden.
Die Polizisten seien vom BMW-Fahrer überrascht worden. «Der Polizist, der ihn noch abzufangen versuchte, wäre selbst fast überfahren worden», sagt Christian Pannatier. Die Strasse sei nicht blockiert worden, da die Verkehrsteilnehmer üblicherweise eine Sperre der Polizei respektieren.
Pannatier erklärt, was grundsätzlich gilt: «Wir können eine Strasse nicht hermetisch abriegeln.» Es sei nicht möglich, schwere Strukturen einzusetzen, um die Fahrbahnen zu sperren. Der öffentliche Verkehr habe Priorität. «Wir müssen die schnelle Freigabe einer Strasse ermöglichen», sagt der Polizeisprecher. Bei solchen Demonstrationen handle es sich um einen mobilen Schutz.
Auch bei einer bewilligten Demonstration, bei der die Polizei über die Route Bescheid weiss, werde eine Strasse kaum komplett abgeriegelt. «Wir begleiten die Demonstration, sperren die Strassen kurz vorher und öffnen sie dann direkt dahinter wieder.» Es handle sich dabei um Demonstrationen, die eine vorübergehende oder relativ kurze Blockade erfordern.
Fahrer wieder frei
Anders verhalte es sich bei grossen und statischen Demonstrationen. Da seien solide und schwere Massnahmen, um eine Menschenmenge zu schützen, eher möglich. Polizeisprecher Pannatier sagt zu RTS, dass der Einsatz vom Samstag geprüft und das Dispositiv allenfalls angepasst werde.
Der 56-jährige Mann mit Wohnsitz in Lausanne konnte von der Polizei am Ende der Brücke gestoppt und in Gewahrsam genommen werden. Die Staatsanwaltschaft hat gegen ihn eine Untersuchung wegen des Verdachts auf Gefährdung des Lebens eingeleitet.