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BAG in der Kritik «Man hätte deutlich mehr Impfdosen bestellen müssen»

Der ehemalige BAG-Vize kritisiert, der Bund habe zu wenig Impfstoff bestellt. Das führe nun zu Engpässen in der Schweiz.

Nach Lieferengpässen bei Pfizer/Biontech hat nun auch Astra-Zeneca Verzögerungen bei der Auslieferung angekündigt. Dies, obwohl der Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers in der Schweiz noch nicht einmal zugelassen ist. Gerät die Schweizer Impfstrategie nun also ins Stocken?

Nora Kronig, Vize-Direktorin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), sagt: «Wir haben Verträge auf Quartale, die uns Volumen zusichern. Und vom Austausch, den wir haben, sieht es nach Schwankungen aus.»

Der Bund bleibt ruhig

Beim Bund, welcher die Impfungen beschafft, zeigt man sich noch nicht beunruhigt, obwohl bereits Impftermine verschoben werden mussten.

Experten kritisieren, dass der Bund es verpasst habe, frühzeitig für mehr Impfdosen zu sorgen. René Buholzer, Geschäftsführer von Interpharma, des Schweizer Verbands der forschenden Pharma, plädiert für mehr Diversifizierung: «Wir sollten auf verschiedene Impfstoffkandidaten und verschiedene Technologien setzen. Hier knausrig zu sein, lohnt sich nicht.»

Andreas Faller, links
Legende: Andreas Faller, links, war von Juni 2010 bis Dezember 2012 Vizedirektor beim BAG. Heute ist er als Anwalt und Berater im Gesundheitsbereich tätig. Keystone

Dies sieht auch der ehemalige Vize-Direktor des BAG, Andreas Faller, so. «Man hätte bei allen Vertragspartnern deutlich mehr Impfstoff bestellen müssen. Die EU hat zum Beispiel pro Einwohner die dreifache Menge, dann hätte man mehr Sicherheit, falls es bei einem Hersteller zu Verzögerungen kommt.»

Mehr Reserven im Ausland

Was sagt der Bund zu dieser Kritik? Nora Kronig erklärt: «Die Schweiz hat eine diversifizierte Strategie gefahren und strategisch überlegt, wie viele Dosen wir brauchen und wollen. Wir haben Impfstoffe in dem Sinne unterschiedlicher Plattformen, das heisst, unterschiedlicher Impftechnologien beschafft.»

Viele andere Länder haben jedoch mehr beschafft. Grossbritannien könnte seine Bevölkerung gleich dreimal impfen lassen, sollten alle Dosen geliefert werden. Auch die EU, die USA und Impfweltmeister Israel haben Reserven eingebaut und könnten mehr als 100 Prozent der Bevölkerung impfen.

Warten auf die Zulassung

Anders in der Schweiz. Auch wenn der gesamte bestellte Impfstoff ausgeliefert würde, würde dieser derzeit nicht einmal für die gesamte Bevölkerung reichen. Für die fünf Millionen Impfdosen von Astra-Zeneca fehlt hier zudem nach drei Monaten immer noch die Zulassung. Der Bund und das BAG müssten deshalb nun unbedingt handeln, findet der Ex-Vize des BAG.

«Zum Einen müsste man sofort mehr Impfstoff erhalten, Deutschland macht eine neue Produktion auf, Moderna und Lonza wollen die Produktion erhöhen. Zum Anderen müsste man weitere Impfstoffe zulassen», sagt Andreas Faller.

Man sei dran, sagt der Bund. «Zu laufenden weiteren Verhandlungen kann ich mich nicht im Detail äussern», ergänzt Nora Kronig. Vorerst bleiben Impfungen also Mangelware in der Schweiz.

10 vor 10, 26.01.2021, 21:50 Uhr ; 

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