Sie sind erst seit den Wahlen im Parlament, aber sie haben einem Thema bereits ihren Stempel aufgedrückt: Eine Gruppe junger Neugewählter aus GLP, CVP und EVP arbeitete seit Dezember daran, Verschlechterungen für Zivildienstleistende zu verhindern. Für sie sind Armee und Zivildienst gleichwertig. Neben den linken Stimmen brauchte es dafür aber auch viele aus der Mitte. Nun können die jungen Frauen und Männer anstossen: Der Nationalrat hat das Gesetz in der Schlussabstimmung abgelehnt. Vor allem wegen eines Kurswechsels in der CVP.
Dieser Erfolg von Jungen und Frauen ist typisch für eine Session, in welcher die Konturen des Nationalrates deutlicher erkennbar geworden sind. Im Herbst haben die Wahlberechtigten jünger, ökologischer, weiblicher und gesellschaftsliberaler gewählt. In Nationalrat sind nun messbare Taten gefolgt.
Die relevanteste Veränderung zeigte sich im Nationalrat beim CO2-Gesetz. Der alte Rat hatte sich hier noch vorwiegend im Zahnziehen gefallen – und damit den Zorn der Klimajugend auf sich gezogen. Der neue Nationalrat entschied nun ökologischer – mit CO2-Inlandreduktionsziel, Benzinpreiserhöhungen und Flugticketabgabe.
Auch die FDP machte mit und hielt ihr Versprechen eines neuen Umweltkurses. Nachdem die Corona-Krise riesige Löcher in die Bundeskasse gerissen hat, ist dies keine Selbstverständlichkeit. Den Freisinnigen ist es offenbar ernst mit der Haltung, dass Klimaschutz auch der Wirtschaft nütze.
Überraschende Deutlichkeit bei Ehe für alle
Wie sehr gesellschaftsliberale Kräfte an Einfluss gewonnen haben, zeigte sich bei der Ehe für alle. Ein Ja war erwartet worden, nicht aber in dieser Deutlichkeit. Und erst recht nicht bei der Samenspende für lesbische Ehepaare. Die vorberatende Kommission hatte darauf noch verzichten wollen.
Der Durchmarsch der Frauen hat sich schliesslich in der ausserordentlichen Debatte über Gleichstellung gespiegelt. Einige bürgerliche Frauen erinnerten zwar daran, dass längst nicht alle Frauen die gleichen Bedürfnisse und Forderungen haben. Aber dass die Debatte überhaupt stattfand und anschliessend auch noch Forderungen wie eine Anti-Sexismus-Kampagne durchkamen, wäre im alten Nationalrat mit seiner SVP-FDP-Mehrheit wenig wahrscheinlich gewesen.
Lösungsorientiertes Klima im Nationalrat
Hinter den Nationalrats-Kulissen ist zu vernehmen, dass sich auch das überparteiliche Gesprächsklima – beispielsweise in den Kommissionen – verbessert habe und konstruktiver geworden sei. Nachdem alle Bundesratsparteien bei den Wahlen Federn lassen mussten, scheint ihnen wieder bewusster zu sein, dass sie für ihre Anliegen mehrere Verbündete brauchen.
Auch die grosse Siegerin der Wahlen, die Grüne Partei, scheint sich Lösungsorientierung auf die Fahne geschrieben zu haben. Sie verzichtete in der CO2-Debatte auf Maximalforderungen, um das Gesetz als Ganzes nicht zu gefährden. Sie wollte die Fehler der letzten Sieger nicht wiederholen: Nach den Wahlen 2015 überluden die siegreichen Bürgerlichen die Unternehmenssteuerreform 3 derart, dass diese an der Urne scheiterte.
Im Ständerat fehlen die Brückenbauer
Im stark erneuerten Ständerat hingegen macht sich das Fehlen von Brückenbauer-Figuren wie CVP-Mann Konrad Graber und FDP-Frau Karin Keller-Sutter bemerkbar. Im Gegensatz zur letzten Legislatur kamen von der kleinen Kammer bisher weniger Lösungsimpulse. Es ist möglich, dass sich dies ändert, wenn neue Mitglieder mit der Zeit in diese Rolle hineinwachsen.
Inhaltlich fällt im Ständerat auf, dass er den Schwung des Nationalrates eher bremst. Sei es bei der Konzernverantwortungsinitiative oder bei den Überbrückungsleistungen für über 60-Jährige. Zum Glück, sagen die einen – leider, die anderen.
Damit haben die beiden Kammern ihre Rollen wieder vertauscht. Der Ständerat ist – wie früher lange üblich – zum zurückhaltenderen, konservativeren Rat geworden.