Zum Inhalt springen

Brisante VBS-Dokumente Luftwaffenchef: «Die Szenarien sind losgelöst von der Realität»

Irgendwo im näheren Ausland bombardieren Schweizer Kampfpiloten einen feindlichen Militär-Kommandanten, einen Flugplatz oder eine Brücke – brisante Kriegsszenarien, wie sie im Schweizer Verteidigungsministerium (VBS) entworfen wurden. SRF Investigativ deckte sie auf . Ihr Zweck: Sie mussten von den Kampfjet-Anbietern im Auswahlverfahren für das künftige Kampfflugzeug durchgespielt werden. Luftwaffenchef Peter Merz nimmt in der Sendung Rundschau Stellung.

Peter Merz

Kommandant der Schweizer Luftwaffe

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Peter «Pablo» Merz (1968) ist ein Schweizer Berufsoffizier im Rang eines Divisionärs und Kommandant der Schweizer Luftwaffe. Er ist verantwortlich für die Grundbereitschaft, Ausbildung und den Einsatz der Luftwaffe und der Fliegerabwehr. Merz untersteht dem Chef Kommando Operationen.

SRF News: Herr Merz. Wie erklären sie dem tschechischen Generalstabschef, warum die Schweiz Luftschläge in seinem Land durchspielt?

Das ist kein Problem. Diese Szenarien sind losgelöst von echten sicherheitspolitischen Zusammenhängen und effektiven Landesgrenzen. Das ist einfach ein Drehbuch, hat nichts mit Tschechien zu tun. Und: Ein tschechischer General entwirft selbst Szenarien und weiss zu gut, wie man so etwas interpretieren muss.

Wir hätten die Flieger auch auf den Mond fliegen lassen können.

Alle diese Angriffsszenarien zeigen gegen Osten, das passt genau zur aktuellen Bedrohungslage. Wäre es nicht ehrlich zu sagen: Ja, das sind Worst-Case-Kriegsszenarien?

Ja, es sind Worst-Case-Kriegsszenarien, aber sie haben rein gar nichts mit der Himmelsrichtung zu tun. Dieses Dokument, das sie eigentlich gar nicht besitzen dürften, zeigt die Schweiz auf einer leeren Karte. Sie haben darauf selbst die Ländernamen eingefügt. Wir hätten die Flieger auch auf den Mond fliegen lassen können, das spielte keine Rolle.

Die Szenarien handeln von präventiven Schlägen also Angriffe, bevor ein Feind die Schweiz attackiert. Was hat das noch zu tun mit einer Verteidigungsarmee eines neutralen Landes?

Es ist klar: Präventiv-Schlage wie beispielsweise Pearl Harbour, also Erstschläge, sind verboten nach Uno-Charta. Deswegen würde das die Schweiz nie machen. Die von ihnen erwähnte Szene ist ein Ausschnitt aus einem grösseren Szenario, wo die Schweiz bereits in einem Konflikt drin steckt. An dieser Stelle kommt die Information, ein (erneuter) Angriff stehe unmittelbar bevor – und die Luftwaffe will dem zuvorkommen.

Erstschläge sind verboten nach Uno-Charta. Deswegen würde das die Schweiz nie machen.
Autor:

Das zeigt das Problem: Wenn diese Dokumente jemand liest, der das Verständnis nicht hat, kommt es zu Missinterpretationen wie hier.

Diese Recherchen sind ein Steilpass für die Linken, die den F-35 bekämpfen. Sie sagen, mit solchen Szenarien hat man die Vorgaben für die Kampfjetauswahl absichtlich auf dieses Flugzeug zugeschnitten.

Auch das ist eine Fehlinterpretation. Wir hatten diese Szenarien ja im Vorfeld entworfen – ohne die Flugzeugtypen zu kennen. Diese Drehbücher sollten dazu dienen, dass die Hersteller uns zeigen konnten, was ihr Flugzeug alles kann. Alle unter den gleichen Bedingungen. Die Evaluation hat dann klar gezeigt, dass der F-35 am besten abschneidet.

Schlussfrage: Hätte der Kampfjet nach diesen Enthüllungen beim Volk noch eine Chance, wenn die Abstimmung erst jetzt anstehen würde?

Ja, davon bin ich überzeugt.

Das Gespräch führte Dominik Meier.

Rundschau, 02.02.2022, 20 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel