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Corona-Impfung Gesundheitsrechtlerin: «Eine Impfpflicht für alle gibt es nicht»

Das Thema Corona-Impfung ist in aller Munde: Einerseits sorgt ein möglicher Durchbruch bei der Suche nach einem Impfstoff für Schlagzeilen, andererseits die Forderung nach einem Impfobligatorium, welche Roche-Präsident Christoph Franz im aktuellen «Handelsblatt» deponiert hat. Laut Franziska Sprecher von der Universität Bern ist diese Forderung rechtlich aber nicht durchsetzbar – zumindest nicht bei der Gesamtbevölkerung.

Franziska Sprecher

Staatsrechtlerin an der Universität Bern

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Sprecher ist Assistenzprofessorin für Staats- und Verwaltungsrecht mit besonderer Berücksichtigung des Gesundheitsrechts am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern. Zudem leitet sie als Direktorin das Zentrum für Gesundheitsrecht und Management im Gesundheitswesen.

SRF News: Wäre ein Impfobligatorium rechtlich überhaupt möglich?

Franziska Sprecher: Impfobligatorien sind nach dem geltenden Recht möglich. Allerdings nur für spezifische Gruppen wie etwa Personen, die mit vulnerablen Gruppen zu tun haben, insbesondere das Gesundheitspersonal.

In welchem Fall könnte ein solches Obligatorium erlassen werden?

Das Epidemiengesetz, das 2013 vom Stimmvolk angenommen wurde, sieht klar vor, dass Obligatorien nur dann möglich sind, wenn eine grosse gesundheitliche Gefährdung da ist. Es ist also nicht für jedes Virus ein Obligatorium möglich. Es braucht eine Gesundheitsgefährdung im grossen Stil. Das Impfobligatorium wurde mit dem neuen Gesetz eingeschränkt.

Es bedarf klarer Voraussetzungen, damit so ein Obligatorium verhängt werden kann.

Ist eine Impfpflicht ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte?

Eine Impfung ist immer ein Eingriff in die körperliche Integrität und damit auch in die Persönlichkeitsrechte. Und es bedarf klarer Voraussetzungen, damit so ein Obligatorium verhängt werden kann. Das ist eine ausreichende gesetzliche Grundlage und ein genügend grosses öffentliches Interesse.

Berset
Legende: Am Mittwoch hat sich auch Alain Berset zu einer möglichen Impfpflicht geäussert: Die sei nicht vorgesehen, so der Gesundheitsminister. Keystone

Das ist insbesondere der Schutz von gefährdeten Personen. Und dann muss so eine Impfung auch immer verhältnismässig sein. Das heisst, man muss einerseits die Gefährlichkeit des Virus, andererseits das Risiko, das mit der Impfung verbunden ist, sehr sorgfältig gegeneinander abwägen.

Wenn die Behörden nun keine Impfpflicht erlassen, könnte man als Betrieb nicht auch selber handeln, beispielsweise als Spital?

Arbeitsrechtlich ist es durchaus möglich, solche Massnahmen zu verordnen. Aber auch da: Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers hat eine sehr hohe Gewichtung. Und auch hier gilt: Im Vordergrund steht der Schutz der Gesundheit einerseits des Personals, andererseits aber auch der Patienten. Was nicht geht, ist zum Beispiel, dass ein Unternehmen, das in der Produktion tätig ist, einfach nur aus ökonomischen Gründen eine Impfpflicht anordnet.

Im Vordergrund steht der Schutz der Gesundheit einerseits des Personals, andererseits aber auch der Patienten.

Wenn man ein Obligatorium erlassen würde, müsste man das auch sanktionieren, wenn sich jemand nicht daran hält. Was käme da infrage?

Es ist so, dass das geltende Epidemiengesetz keine Sanktionsmöglichkeiten vorsieht. Es ist nicht möglich, jemanden zu büssen oder einzusperren. Arbeitsrechtlich wäre das anders. Da ist es möglich, dass man eine Person versetzt, dass man sagt: Wer nicht geimpft ist, darf nicht mit vulnerablen Personen arbeiten, und muss in eine Abteilung, wo keine Gefährdung besteht durch diese Person. Solche Dinge sind arbeitsrechtlich durchaus denkbar.

Impfgegner sagen, es komme zu einem Obligatorium, einem Zwang für alle. Aus rechtlicher Sicht gesehen ist das also nicht realistisch?

Nein, ein Obligatorium oder ein Zwang für alle ist definitiv nicht möglich.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News, 12.11.2020, 10:05 Uhr ; 

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