Zum Inhalt springen

Corona-Krise Historischer Einbruch im Regionalverkehr

Corona reisst ein Loch in die Kassen der öV-Anbieter – und die Krise ist noch lange nicht ausgestanden.

Der Geschäftsführer des aargauischen Tarifverbunds A-Welle Martin Osuna findet klare Worte: «Ein solcher Einbruch ist einmalig, das hatten wir überhaupt noch nie in der Vergangenheit». Gemeint ist der Rückgang der Abonnement-Zahlen von 20 Prozent im vergangenen Jahr.

Bis zu einem Viertel weniger verkaufte Abos

Die Aufforderung des Bundesrats im Shutdown 2020, möglichst auf die Nutzung des öffentlichen Verkehrs zu verzichten, habe Spuren im Geschäftsjahr des Regionalverkehrs hinterlassen. Bus, Tram und Zug – sämtliche Verkehrsmittel sind betroffen.

Noch grösser als im Aargau fällt der Rückgang der Abo-Zahlen beim Tarifverbund Nordwestschweiz (TNW) in den beiden Basel aus. Dort wurden im letzten Jahr rund ein Viertel weniger Abos verkauft. Das gleiche Bild beim Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) und dem Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS). Noch dramatischer ist die Situation dort bei den Einzelbilleten. 43 Prozent weniger verkaufte der RBS im Corona-Jahr 2020.

Reserven sind aufgebraucht

«Das trifft uns hart, weil wir über die Hälfte unserer Einnahmen über den Verkauf von Fahrausweisen decken», sagt Fabienne Thommen, Mediensprecherin beim RBS. Auf der Einnahmeseite fehlten im letzten Jahr rund neun Millionen Franken. Beim TNW rechnet man mit einem Umsatzrückgang von rund 50 Millionen Franken, sprich 19 Prozent. Der ZVV rechnet gar mit einer Umsatzeinbusse von 25 Prozent.

Das reduziert unsere Einnahmen und trifft uns hart.
Autor: Fabienne Thommen Mediensprecherin Regionalverkehr Bern-Solothurn

Die Einbussen des Jahres 2020 konnten im ZVV durch die einmalige Auflösung von Reserven der Verkehrsunternehmen ein wenig abgefedert werden. Auch die anderen Tarifverbunde hatten Reserven. Doch diese sind ausgeschöpft – ein Ende der Krise ist nicht in Sicht.

ÖV kämpft gegen das Corona-Stigma

Erst im Januar beschloss der Bundesrat die Homeoffice-Pflicht, die sich auch sogleich auf die Verkaufszahlen im ÖV niederschlug. «Wir beobachten, dass die Leute weiterhin zurückhaltend sind bei den Monats- und Jahresabos», sagt der TNW-Geschäftsführer Adrian Brodbeck.

Die Kunden, die wir verloren haben, kommen nicht so schnell zurück.
Autor: Adrian Brodbeck Geschäftsführer Tarifverbund Nordwestschweiz

Für Brodbeck ist klar, dass die Warnung des Bundesrats, den ÖV nicht zu benutzen, einen nachhaltigen Effekt hat. Viele Leute hätten aufgrund dieser Empfehlung aufs Auto, E-Bike oder Velo umgesattelt. «Die kommen nicht mehr so schnell zurück» ist Brodbeck überzeugt. Entsprechend rechnet man beim TNW auch dieses Jahr mit ähnlich hohen Verlusten wie 2020.

Wie weiter?

Doch wie sollen die Löcher in den Kassen gestopft werden, wenn das finanzielle Polster aufgebraucht ist? Preiserhöhungen wie es ein parlamentarischer Vorstoss der SVP im Zürcher Kantonsrat zur Debatte stellte, wären aus Sicht des ZVV zum jetzigen Zeitpunkt schwierig umzusetzen und allenfalls kontraproduktiv.

«Um einen Teil der Kundschaft wieder zurückgewinnen und neue ÖV-Nutzer anzuziehen, ist es essenziell, dass das Angebot weiterhin attraktiv bleibt», sagt ZVV-Mediensprecher Thomas Kellenberger.

Im schlimmsten Fall muss das Angebot zurückgefahren werden.
Autor: Hans Rudolf Rihs Leiter Sektion öffentlicher Verkehr, AG

Die öffentliche Hand werde alles dran setzen, damit kein ÖV-Anbieter konkurs gehe, ist der Sektionsleiter öffentlicher Verkehr im Kanton Aargau, Hans Rudolf Rihs, überzeugt. Schliesslich finanziere die öffentliche Hand rund die Hälfe des ÖV. «Im schlimmsten Fall muss man das Angebot zurückfahren, vor allem wenn weiterhin weniger Leute reisen», sagt Rihs.

Klar ist, die Krise wird den öffentlichen Regionalverkehr noch lange beschäftigen. So rechnet der ZVV damit, dass es noch drei bis vier Jahre dauern wird, bis das Auslastungsniveau von vor Corona wieder erreicht ist.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 01.03.21, 06.32 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel