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Aus HeuteMorgen vom 16.02.2021. Bild: Keystone
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Coronavirus Coronavirus-Mutationen: Ihre Fragen – unsere Antworten

Seit Dezember 2020 stellen Coronavirus-Mutationen eine zusätzliche Hürde in der Pandemiebekämpfung dar. Drei neue Virus-Varianten, insbesondere die britische Variante B.1.1.7. machen Epidemiologinnen und Epidemiologen unruhig. Zu den Mutationen und Varianten erreichen uns aus der SRF-Community täglich neue Fragen. Die häufigsten Fragen haben wir zusammengetragen und mit Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel besprochen.

Katrin Zöfel

Katrin Zöfel

Wissenschaftsjournalistin

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Katrin Zöfel ist Wissenschaftsredaktorin bei SRF. Sie ist Biologin und versucht zu verstehen, wie die Wissenschaft helfen kann, Antworten auf gesellschaftlich wichtige Fragen zu finden.

Was ist eine Coronavirus-Mutation und wie entsteht sie?

Eine Mutation ist ein Schreibfehler im Erbgut des Virus. Diese Schreibfehler entstehen immer dann, wenn das Virus sich vermehrt, weil dann auch das Erbgut kopiert wird und beim Kopieren passieren immer Schreibfehler. Viele dieser Fehler bewirken gar nichts. Andere sind schädlich für das Virus. Und manche Fehler geben dem Virus einen Überlebensvorteil. Zum Beispiel, dass das Virus ansteckender wird oder einer bestehenden Immunität ausweichen kann. Varianten die eine oder mehrere dieser vorteilhaften «Schreibfehler», also Mutationen im Erbgut haben, setzen sich durch.

Wie werden Coronavirus-Mutationen identifiziert?

Man muss richtig danach suchen. Der normale Corona-PCR-Test kann nur feststellen, ob das SARS-CoV2 in einer Probe enthalten ist oder nicht. Wenn man wissen will, ob Mutationen vorhanden sind, muss man genauer schauen, indem man das Erbgut untersucht. Dabei kann man nach einzelnen Mutationen suchen, z.B. nach N501Y, das ist eine Mutation, die in allen drei Varianten vorkommt, über die zurzeit so viel gesprochen wird: B.1.1.7 aus Grossbritannien, P.1 aus Brasilien und B.1.351 aus Südafrika. Oder man sucht nach E484K, das ist eine Mutation, die bei der südafrikanischen und der brasilianischen Variante vorkommt. Von Virus-Varianten spricht man dann, wenn das Virus so viele bedeutungsvolle Mutationen angesammelt hat, dass man sagen kann, das Virus ist gegenüber dem Wildtyp, also der ursprünglichen Variante, tatsächlich spürbar anders.

Welche Virus-Varianten wurden bisher in der Schweiz gefunden?

Man unterscheidet erstens zwischen Variants of concern (VOC), also Varianten, die Grund zur Sorge geben, zweitens Variants of interest (VOI), also Varianten, die sich zum Beispiel stark verbreiten und bei denen Fachpersonen aber noch nicht sicher sind, ob sie Grund zur Sorge geben und drittens zwischen allen übrigen Varianten. Die drei zurzeit wichtigen VOCs weltweit sind B.1.1.7 aus Grossbritannien, P.1 aus Brasilien und B.1.351 aus Südafrika. B.1.1.7 dominiert in der Schweiz, sie wurde Ende Dezember zum ersten Mal in der Schweiz gefunden. Ein paar Tage später, dann der erste Nachweis der südafrikanischen Variante. Bisher ist diese aber noch nicht sehr verbreitet. Die Brasilianische fand man zum ersten Mal am 8. Februar in einer Probe in der Schweiz, sie ist bisher am wenigsten verbreitet.

Effekt der britischen Variante

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SRF hat Daten und Modelle ausgewertet und veranschaulicht in vier Grafiken was die britische Variante für einen Effekt auf die Entwicklung der Neuinfektionen haben kann.

Man hört oft, die drei Varianten seien ansteckender: Was bedeutet das?

Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Man weiss bisher nur bei der britischen Variante relativ genau, dass sie ansteckender ist. Laut Daten aus Dänemark ist sie um 50 Prozent ansteckender. Man weiss aus Laborversuchen, dass die britische Variante besser an Zellen bindet und leichter in sie eindringen kann. Das könnte bedeuten, dass eine geringere Virenmenge reicht, um jemanden anzustecken.

Zur südafrikanischen und brasilianischen Variante weiss man in puncto Ansteckung noch relativ wenig. Wichtig ist: Das Virus verändert durch die bisherigen Varianten nicht grundsätzlich seinen Charakter. Es verbreitet sich immer noch vor allem über die Luft, nicht zum Beispiel plötzlich besser über Oberflächen. Es kann auch nicht plötzlich besser durch Masken durch. Die Massnahmen, die gegen die alten Varianten geholfen haben, helfen also auch jetzt noch, nur braucht es allenfalls «mehr davon».

Regierungen sprechen oft die höhere Gefährlichkeit von Coronavirus-Varianten an. In welchem Sinne sind die neuen Varianten gefährlicher als das «normale» Coronavirus?

Bei gleich starken Massnahmen kann sich die britische Variante stärker ausbreiten als der Wildtyp, also die ursprüngliche Variante. Das heisst, es ist möglich, dass es aufwändiger und schwieriger wird, diese Variante einzudämmen. Die südafrikanische und die brasilianische Variante, die bisher in der Schweiz noch recht selten sind, könnten den Impfschutz durch die aktuellen Impfstoffe schmälern. Ob sie wie die britische Variante auch ansteckender sind, weiss man noch nicht.

Zur Frage wie viel ansteckender die Varianten sind, wurden seit Auftreten der Varianten Zahlen zwischen 20 – 70 Prozent genannt. Aktuell geht man davon aus, dass die britische Variante, ca. 50 Prozent ansteckender ist. Wieso werden diese Werte immer wieder angepasst?

Das ist typisch Wissenschaft. Das Wissen ist nicht auf einen Schlag da, sondern wächst und verändert sich, je mehr Studien es gibt. Zur britischen Variante B.1.1.7 gab es Ende Dezember die ersten, recht groben Abschätzungen. Das waren Studien, in denen man im Labor Zellen und B.1.1.7 Virus zusammengebracht hat, und Beobachtungen, wie schnell B.117 den Wildtyp in Grossbritannien verdrängt hat. Daraus ergaben sich erste Hinweise über die Eigenschaften dieser Variante. Je länger die britische Variante dann präsent ist, Menschen ansteckt und sich ausbreitet, umso mehr lernt die Wissenschaft darüber. Die neuesten Zahlen, die sagen: «50 Prozent ansteckender» stammen aus Grossbritannien und Dänemark und haben inzwischen eine recht solide Grundlage.

Es gibt ausserdem noch eine Art «Pandemie-Effekt»: Normalerweise interessiert sich kaum jemand für die ersten, unsicheren Abschätzungen von Wissenschaftlern. Das bleibt normalerweise weit unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle. Jetzt aber ist der Bedarf an Information so hoch, dass auch diese schnellen ersten Abschätzungen breit öffentlich diskutiert werden.

Ist es sinnvoll Modelle, welche die höhere Ansteckungsrate der Varianten betrachten, in Entscheidungen zur Pandemiebekämpfung einfliessen zu lassen?

Diese Modelle sind natürlich immer nur so gut wie die Datengrundlage, auf der sie stehen. Und man ist nicht vor Überraschungen gefeit. Aber sie helfen abzuschätzen, mit welchen Szenarien man rechnen kann.

Was nützt die Zahl der mutierten Coronavirus-Fälle, ohne dabei die Anzahl der durchgeführten Sequenzierungen zu nennen? Ist nicht davon auszugehen, dass zunehmend viel mehr sequenziert wird und dadurch zwangsläufig auch viel mehr Mutanten gefunden werden?

Zurzeit werden in der Schweiz weniger als 10 Prozent aller positiven Tests sequenziert. Und ja, wer mehr sequenziert, findet mehr. Aber die Angaben, wie weit die Varianten schweizweit schon verbreitet sind, fussen nicht einfach nur auf den vorhandenen Sequenzierungsdaten. Stattdessen wurden repräsentative Stichproben untersucht, und daraus auf die ganze Schweiz hochgerechnet. Das ist ein ähnliches Vorgehen wie bei amtlichen Meinungsumfragen, bei denen eine für die ganze Schweiz repräsentative Gruppe von Menschen befragt wird, sodass das Meinungsbild der Gruppe in etwa das Meinungsbild der ganzen Schweiz wiedergibt.

Die Varianten können das Verhalten des Virus verändern und deshalb auch den Verlauf der Pandemie. Wenn man rechtzeitig merkt, dass eine neue Variante mit neuen Eigenschaften da ist, kann man frühzeitig reagieren, vielleicht ganz verhindern, dass sie sich ausbreitet, oder zumindest mit angepassten, neuen Massnahmen reagieren. Es ist sozusagen wie beim Wetterbericht. Wenn man vorhersagen kann, dass ein Sturm aufzieht oder die Sonne scheint, dann kann man sich darauf einstellen. Die Varianten und ihre Ausbreitung zu kennen, ist in etwa so, wie zu wissen, dass sich über Mitteleuropa ein Hochdruckgebiet entwickelt – und was das für das Wetter in der Schweiz heissen kann.

Wirken die verschiedenen Impfungen auch bei den Mutationen? Die Hinweise häufen sich, dass manche neuen Varianten des Coronavirus die Schutzwirkung einer Impfung schmälern.

Gegen die britische Variante wirken die vorhandenen Impfstoffe nach bisherigen Studienresultaten gut. Anders bei der südafrikanischen Variante: Dort zeigt sich, dass vorhandene Impfstoffe schlechter vor einer Infektion mit dieser Variante schützen. Zur brasilianische Variante gibt es noch am wenigsten gute Daten, aber es ist wahrscheinlich, dass auch gegen sie die vorhandenen Impfstoffe schlechter schützen. Wichtig zu wissen ist: Das ist nie schwarz weiss, es geht vielmehr um mehr oder weniger guten Schutz. Einige Firmen arbeiten inzwischen schon an sogenannten Boostern, mit denen sie den Impfschutz von schon Geimpften auf die neuen Varianten aufdatieren wollen.

SRF 4 News, 16.02.2021, 06:00 Uhr;

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