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Coronavirus im Winter SRF-Expertin: «Das Wetter wird es dem Virus leichter machen»

Der Sommer neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Wir treten in eine neue Phase der Pandemie: Corona im Herbst und dann Corona im Winter. Und das bei momentan steigenden Fallzahlen. Was kommt hier auf uns zu? Katrin Zöfel über mögliche Prognosen und den Stand der Dinge.

Katrin Zöfel

Wissenschaftsjournalistin

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Katrin Zöfel ist Wissenschaftsredaktorin bei SRF. Sie ist Biologin und versucht zu verstehen, wie die Wissenschaft helfen kann, Antworten auf gesellschaftlich wichtige Fragen zu finden.

SRF News: Wie stark hat die Tatsache, dass es seit März fast immer warm war, den Verlauf der Pandemie beeinflusst?

Katrin Zöfel: Der saisonale Effekt hat den Effekt vom Shutdown wahrscheinlich verstärkt. Im Frühjahr gab es die Diskussion, ob das Coronavirus nicht ohnehin verschwindet, wenn es warm wird. Weil das Virus aber so neu ist, sind viele Menschen noch nicht immun dagegen, so dass der saisonale Effekt allein nicht reichen würde. Aber eben: Der saisonale Effekt hat wohl mitgeholfen.

Was heisst das nun für den Herbst und Winter?

Das Wetter wird es dem Virus in den kommenden Monaten leichter machen. Die Menschen sind wieder mehr drinnen, heizen mehr und lüften weniger. Nach allem, was man inzwischen über Sars-Cov2 weiss, ist klar: Die Ansteckung über die Atemluft spielt eine grosse, wenn nicht sogar die Hauptrolle.

Wenn sich nun vermehrt viele Jüngere anstecken, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch wieder mehr Ältere anstecken, und die Hospitalisierungen wieder mehr werden.

Und je näher sich Menschen drinnen nahe kommen, umso wahrscheinlicher wird es, dass sie die gleiche Luft atmen. Ausserdem werden Tröpfchen, die jemand ausatmet, in trockener, geheizter Luft schneller zu Aerosolen, und die hängen dann über längere Zeit in der Luft.

Die Zahl der Hospitalisierungen ist nach wie vor tief. Ist das Virus vielleicht schwächer geworden?

Die Vermutung liegt nahe, und es wird unter Forschern auch diskutiert, ob nicht eine bestimmte Virusvariante weniger gefährlich sein könnte als andere. Das ist aber bisher nur eine Vermutung. Was man aber klar sieht ist, dass sich momentan die Jüngeren anstecken. Diese werden weniger schwer krank und sterben sehr viel seltener an Covid-19 als Ältere.

Das ist doch eine gute Nachricht?

Ja, aber wenn sich nun vermehrt viele Jüngere anstecken, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch wieder mehr Ältere anstecken, und die Hospitalisierungen wieder mehr werden. Und: Auch im Frühjahr war der Effekt der steigenden Fallzahlen erst verzögert in den Spitälern zu spüren. Bis man ein realistisches Bild davon hat, wie viele der Menschen, die jetzt positiv getestet werden, schwer oder leicht erkranken, wird es dauern.

Der Eindruck, den Corona im Frühjahr gemacht hat, war ins Negative verzerrt.

Es gibt mittlerweile aber durchaus Positives zu berichten. Der Eindruck, den Corona im Frühjahr gemacht hat, war ins Negative verzerrt. Die Dunkelziffer, die Zahl der milden Fälle, die man übersehen hat, war höher als jetzt. Die Ärzte in den Spitälern und in der ambulanten Behandlung haben in der Therapie für Covid-19-Patientinnen und Patienten dazugelernt.

Zentral wäre ein gutes Contact-Tracing. Kann man objektiv messen, wie gut das Contact-Tracing funktioniert?

Ja. Wie viele der Leute, die einen positiven Test bekommen, sitzen zu dem Zeitpunkt, wo sie positiv getestet werden, bereits in Quarantäne? Also bei wie vielen wussten die Behörden noch vor den Betroffenen von der Infektionsgefahr? Wenn diese Zahl bei 80 Prozent oder höher liegt, kann man von einem sehr erfolgreichen Contact-Tracing sprechen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 30.8.2020, 18:00 Uhr ; 

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