Es roch nach Glühwein, Lebkuchen, Zwiebeln, und in manch dunklen Gassen der Berner Altstadt auch noch nach ganz anderem. Für solche Nebensächlichkeiten hatten die 246 fein gekleideten Damen und Herren, die sich einen Weg durch die Besuchermassen des «Zibelemärits» bahnten, keinen Blick.
Einmal kurz das Konfetti von den Schultern geschüttelt, und schon verschwanden die Parlamentarier im Bundeshaus. Denn sie hatten viel zu tun: In der Wintersession galt es, das Budget 2018 im Umfang von 71 Milliarden Franken zu beschliessen.
Jedes Jahr zur Weihnachtszeit
Die Budgetdebatte kehrt zwar jedes Jahr wieder. Sie wird deswegen aber noch lange nicht routiniert abgespult. Denn wo Geld ist, sind auch Ansprüche. Emotional, vor allem aber ausdauernd, wurde während drei Wochen gerungen – zwischen den Parteien, aber auch zwischen National- und Ständerat.
«Sie können schon mal den Schlafsack einpacken», meinte Bundesrat Ueli Maurer zum Auftakt der Beratungen. Wer dachte, der Finanzminister mache Witze, wurde eines Besseren belehrt: Es war eine Empfehlung.
Namens meiner Minderheit II bei der Position 701.A231.0181 (...), und meiner Minderheit I bei der Position 750.A231.0272 (...) bitte ich Sie (...) von übermässigen Kürzungen abzusehen und sich meiner Minderheit I anzuschliessen.
Kaum eine Partei, die sich nicht wie ein Winkelried vor ihre Klientel warf. In den Debatten schwang auch viel Show und parteitaktisches Kalkül mit; und neben einigen kunstvoll vorgetragenen Attacken auf den politischen Gegner gab es zahlenlastigere Wortmeldungen, die es nicht in die «Tagesschau» schafften. Zu Recht.
Im Nationalrat wurden zum Auftakt rund 100 Einzel- und Minderheitsanträge gestellt. Der erste Tag der Beratungen dauerte ganze zwölf Stunden. Menschlich durchaus nachvollziehbar bannte nicht jedes Votum die Zuhörerschaft. Der Lärmpegel im Saal erreichte teils bedenkliche Ausmasse.
Der neue Nationalratspräsident Dominique de Buman war als Parlamentarier-Bändiger gefordert. Wertvolle Erfahrung konnte er schon als Vizepräsident der grossen Kammer sammeln: In der Herbstsession wies de Buman SVP-Nationalrat und Weltwoche-Verleger Roger Köppel zurecht, als dieser unaufgefordert ans Mikrofon trat:
Das können Sie bei Ihrer Zeitung so machen. Hier aber bestimme ich.
Auch als Nationalratspräsident brachte der Abkömmling einer Freiburger Aristokratenfamilie Ruhe in den Ratssaal. Er erhob auch den Mahnfinger, als die SVP-Fraktion anlässlich des 25-Jahre-Jubiläums des EWR-Neins die Nationalhymne anstimmte. Und manchmal reichte auch ein einfaches «Schhhhh....»:
Am Ende der epischen Budgetberatungen waren sich National- und Ständerat einig, dass man sich nicht einig ist. Es ging, sinnigerweise, in die Einigungskonferenz. Auch deren Kompromissvorschlag wurde verworfen – und damit eine «unheilige Allianz» zerschlagen.
Für Finanzminister Maurer gab es eine gute Nachricht: Die Schuldenbremse wird eingehalten – die Ausgaben übersteigen die Einnahmen nicht.
Kulturelle und politische Gräben
Traditionell weniger heiss her geht es im Ständerat. Dort übernahm Karin Keller-Sutter das Zepter, und verbannte quasi als Sofortmassnahme den Accent Fédéral aus dem Stöckli. In geschmeidigem Französisch parlierte die gelernte Übersetzerin und Dolmetscherin mit den welschen Räten – und offerierte ihren Kollegen den Exportschlager aus ihrem Heimatkanton. Wieder einmal auffallen mussten die angereisten St. Galler: Sie assen ihre Bratwurst ohne Senf…
Zurück in der Ratskammer wurde eine andere Delikatesse zur Zerreissprobe für den nationalen Zusammenhalt: Die Stopfleber. Der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder schoss scharf Richtung Romandie, wo sich «Foie gras» grösster Beliebtheit erfreut:
Nicht alles was kreucht und fleucht muss der Gaumenfreude geopfert werden. Wir müssen endlich aufhören, diesen Schund zu konsumieren!
Wie unsere Reportage vom Lausanner Weihnachtsmarkt zeigte, lassen die Romands bei dem Thema aber nicht mit sich reden. Ein Besucher drückte zwar sein schlechtes Gewissen aus. Allerdings nur, weil «Foie gras» ungesund sei.
Schliesslich riss auch der Graben zwischen Stadt und Land auf. Der Walliser Ständerat Beat Rieder warf der Post einen «veritablen Kahlschlag» in den Randregionen vor: Pöstler würden durch Kiosk-Frauen ersetzt, Briefkästen an den entfernten Strassenrand und Filialen aus den Tälern verbannt.
Die Attacke gegen die Üsserschwiizer Post-Zentrale sass. Es roch nach Cupfinal-Stimmung in Bundesbern. Der Stadtzürcher IT-Pionier Ruedi Noser übernahm den Part des Widersachers:
Wenn die Grossmutter Kontakt mit dem Enkel haben will, dann muss sie in Gottes Namen nicht den Briefkasten leeren gehen, sondern WhatsApp öffnen.
Es nütze nichts, wie Don Quijote die Zukunft bekämpfen zu wollen. Die Randregionen müssten zu «Innovationsinkubatoren» statt zu historischem Museen werden. Schliesslich plädierte Noser für «Logistikleistungen mit fliegenden Drohnen» in den Bergregionen. Im Wallis schultern sie schon die Gewehre.
Zu guter Letzt krachte es auch noch zwischen den Räten: SVP-Nationalrat Christian Imark warf den Vertretern der Bergkantone vor, sie hätten sich an die Wasserkraft-Betreiber verkauft.
Die wütende Attacke verpuffte: Der Ständerat setzte weitere finanzielle Zuschüsse für die Wasserkraft durch. Energieministerin Doris Leuthard räumte ein, «dass auch meine Zähne knirschen.»
Bei den zahlreichen Präsidalapéros und vorweihnachtlichen Feierlichkeiten gab es aber genug Gelegenheit, sich zu versöhnen. Rocco Catteneo, der Bundesrat Cassis im Nationalrat beerbt, tat das einzig Richtige: Er reiste mit dem Velo aus dem Tessin zur Wintersession an, und verbrannte präventiv ein paar tausend Kalorien.
Die wichtigsten Geschäfte in der Übersicht: