War es Elfmeter oder doch kein Foul? Handspiel oder nicht? Diverse umstrittene Schiedsrichterentscheidungen sorgten in den letzten Wochen für Unmut und Negativschlagzeilen. Das musste auch Sascha Amhof feststellen, der beim Schweizer Fussballverband SFV für das Ressort Schiedsrichter zuständig ist.
«Es tut mir weh, das zu sagen. Aber so ehrlich muss man sein: Die Schiris sind im Moment zu oft ein Thema», sagt Amhof. «Es gab den einen oder anderen Entscheid, den wir nicht gut getroffen haben.»
Solche Fehlentscheidungen sorgen nicht nur in den Medien für Diskussionen, sondern auch intern in der Schiedsrichterkommission. «Wir analysieren am Montag alle Szenen und geben bekannt, was wir für gut oder schlecht befunden haben», führt Amhof aus. Aus Fehlern lernen, lautet die Devise – und Ruhe bewahren.
Die zahlreichen negativen Schlagzeilen lassen den Verband zwar nicht kalt, geben aber keinen Anlass zur Sorge. Auch nicht im Hinblick darauf, dass junge Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter die Motivation verlieren könnten, wenn sie sehen, dass ihre Vorbilder ständig in der Kritik stehen. Besteht diese Gefahr wirklich nicht?
Das Positive überwiegt
Julian Müller pfeift in der Promotion League, der dritthöchsten Schweizer Fussballliga. Der 27-jährige Luzerner strebt einen Aufstieg in die Challenge League und in die Super League an. Und auch wenn er die Schlagzeilen der letzten Wochen verfolgt hat und die betroffenen Schiedsrichter persönlich kennt: Ihn lassen sie weitgehend unberührt.
Es gab vereinzelt psychische Gewalt in der Form, dass man nach einem Spiel noch kontaktiert wurde. Aber schlussendlich sind das Ausnahmen.
«Für mich haben solche Artikel untergeordneten Einfluss», sagt Müller. Die Vorstellung, dass auch er künftig dieser Kritik ausgesetzt sein könnte, schreckt ihn nicht ab. Auch die Bilder vom Cup-Halbfinal zwischen YB und Biel, als der Schiedsrichter das Spielfeld unter Polizeischutz verlassen musste, bringen ihn nicht von seinen Plänen ab. Im Wissen, dass solche Szenen die Ausnahme und nicht die Regel sind.
«Wenn ich auf meine Schiedsrichterlaufbahn zurückblicke, gab es keinen einzigen Fall, in dem ich physischer Gewalt ausgesetzt war», so Müller. «Es gab vereinzelt psychische Gewalt in der Form, dass man nach einem Spiel noch kontaktiert wurde. Aber schlussendlich sind das Ausnahmen.» Jede Ausnahme sei eine zu viel. Aber unter dem Strich erlebe er die Mehrheit der Spiele als sehr positiv.
Das Positive überwiegt nicht nur bei Müller. Sonst wäre die Anzahl Fussballschiedsrichterinnen und Schiedsrichter in der Schweiz nicht gestiegen. Vor zwei Jahren waren es noch 4600 – heute sind es 5200. Sie alle lernen früher oder später, mit Kritik umzugehen, sei es beispielsweise in den unteren Ligen mit Reklamationen von Eltern oder mit medialer Kritik in den oberen Ligen.
Schweizer pfeift Nations-League-Final
Sascha Amhof, Leiter des Ressorts Schiedsrichter beim SFV, sagt dazu: «Ganz generell sind wir Schiedsrichter es gewohnt, dass wir exponiert sind, dass wir Ämter haben, in denen wir unpopuläre Entscheide treffen müssen.» Amhof zieht den Vergleich zu Polizisten: Auch sie würden Gutes für die Gesellschaft tun, seien aber auch nicht immer beliebt.
Mehr Kritik als Applaus, das sind sich die Schiedsrichter gewohnt. Umso mehr freut es die Beteiligten, wenn auch positive Schlagzeilen die Runde machen. So wie aktuell: Der Schweizer Schiedsrichter Sandro Schärer hat die Ehre, den Final der Nations League zu leiten, an dem sich die besten Nationalmannschaften Europas messen.