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Debatte Französischunterricht Frühfranzösisch auf dem Prüfstand: Stimmen aus der Schule

Französischlehrer Alain Pichard und Primarschulpräsidentin Susanne Hänni berichten von Herausforderungen und Überforderung im Frühfranzösischunterricht.

Drei Lektionen «Sprachbad» Frühfranzösisch seien ein Witz, sagt der Französischlehrer Alain Pichard. «Sprache muss man mit der Kultur vermitteln, dafür braucht es mehr Zeit und einen späteren Einstieg.» Pichard unterrichtet seit über 40 Jahren in der Region Biel und ist langjähriger Frühfranzösisch-Gegner. Frühfranzösisch ist für ihn «die unsinnigste Reform aller Zeiten.»

Auch Susanne Hänni, Primarschulpräsidentin in Dübendorf, beobachtet, dass viele Schülerinnen und Schüler heute mit dem Unterricht überfordert sind: «In den letzten Jahren kamen so viele neue, wichtige Themen auf, dass es einfach zu viel geworden ist.»

«Schüler mit Erwachsenenpensum»

Zur Veranschaulichung bringt Hänni den Stundenplan einer 5. Klasse mit: «Wenn wir Erwachsene solch einen Stundenplan hätten, würden wir nach drei Wochen fragen: Geht es eigentlich noch? 27, 28 Lektionen pro Woche, plus Hausaufgaben – das ist ein Erwachsenenpensum, das die Schüler haben.»

Die Überforderung ist ein häufiges Argument, wenn es um das Frühfranzösisch geht. Laut der PH Luzern gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Hinweise, dass Schüler beim Fremdsprachenunterricht überfordert seien.

Doch Pichard und Hänni betonen: Zu frühes Französischlernen ist aus ihrer Sicht problematisch. Drittklässler könnten, laut Pichard, Sprache noch nicht nach einem streng regelbasierten Konzept lernen. Laute wie «ch» oder «au» kombiniert mit Wörtern wie «château» oder «ça va» seien extrem komplex. «Wenn man Grammatik und Konjugationen nicht gründlich erklärt, vergessen die Kinder es schnell», sagt Pichard.

Umstrittenes Frühfranzösisch

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Der Zürcher Kantonsrat entschied Anfang September das Frühfranzösisch abzuschaffen, dies hat die Debatte landesweit neu entfacht. Frühfranzösisch-Befürworterinnen wie die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner oder Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider warnen, dass die Abschaffung den nationalen Zusammenhalt gefährde. 

Andere Stimmen, darunter etwa der Zürcher Lehrerverband, erachten den kantonalen Entscheid als sinnvoll. So wird argumentiert, dass die Erfolge beim Frühfranzösisch ausblieben und die Kinder überfordert werden. 

Heute versucht Pichard in der 3. Klasse, die Sprache spielerisch zu vermitteln. Mit der Klasse singt er Lieder wie «Alouette», spielt Rollenspiele und besucht mit den Schülern den Wochenmarkt in Biel. Pichard betont jedoch, dass die drei Lektionen pro Woche in der Primarschule nicht für ein regelbasiertes Lernen reichen.

Dominantes Englisch

Susanne Hänni unterstreicht zudem, dass der Druck des gesamten Lernstoffes extrem hoch sei. Gleichzeitig sei es schwierig, ausreichend Lehrkräfte zu finden, die noch Französisch unterrichten. Gesellschaftliche Trends hin zu einem dominanten Englisch in Beruf und Alltag führen, laut Hänni, dazu, dass immer weniger angehende Lehrkräfte Französisch in der Ausbildung wählen.

Für Pichard und Hänni ist klar: Hochwertige Sprachvermittlung braucht Zeit, Intensität und Kulturbezug – der frühe Einstieg überfordere Kinder und Lehrkräfte gleichermassen. Als Vorbild hierfür dient Pichard sein damaliger Französischlehrer am Gymnasium. Mit Literatur, Musik und französischem Auto machte er Sprache greifbar. «Er stieg, mit Georges Moustaki-Verschnitt, aus seinem Citroën aus, las mit uns Texte von Simone de Beauvoir und Gedichte von Verlaine. Danach wollten wir nur noch eines – nach Frankreich reisen.»

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Club, 09.09.2025, 22:30 Uhr

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