Es wird gehämmert und gemeisselt, im Takt der Reggae-Musik. Sie trällert aus einem Lautsprecher irgendwo auf der Mauer. Zwölf junge Männer bauen in Les Bois im Jura eine neue Trockenmauer.
Hammer, Setzer und Preller. Das sind die Werkzeuge, die es für den Trockenmauerbau braucht. Dazu ein Schnurgerüst, damit die Mauer nicht plötzlich eine Kurve bekommt. Jannick (29) hievt grosse, flache Steine auf die Mauer und reiht sie hochkant aneinander. Das seien die Decksteine für die Stabilität. «Das ergibt ein wildes Mauerbild, das mir aber sehr gefällt», sagt Jannick.
Trockenmauern gehören zum Kulturerbe der Schweiz
Jede Trockenmauerbaustelle hat einen Baustellenleiter. In Les Bois ist das Siro Müller. Er arbeitet im Auftrag der Stiftung Umwelteinsatz Schweiz. Trockenmauern würden zur Landschaftsaufwertung beitragen. Sie hätten dabei aber auch eine Funktion, wie zum Beispiel Hänge zu terrassieren, alte Wege begehbar zu machen, oder – wie im Jura – als Abgrenzung zwischen Feldern zu fungieren.
«Trockenmauer gehören zum Kulturerbe der Schweiz. Darum versucht man es auch zu erhalten», sagt der Baustellenleiter. Sie sind auch ökologisch wichtig als Lebensraum für Pflanzen, Insekten oder Kleingetier.
Im Zivildienst etwas Sinnvolles tun
Die zwölf Männer, die hier arbeiten, sind von Beruf Maler, Schreiner, Zimmermänner, Informatiker oder Anwälte. Sie leisten hier ihren zivilen Ersatzdienst anstelle des Militärdienstes.
Es wäre sowohl für ihn wie auch das Militär nicht gut herausgekommen, hätte er einrücken müssen, sagt Beni (29). «Im Zivildienst kann ich aufblühen und Dinge tun, die sinnvoll sind», sagt er. Till (25) hat die Rekrutenschule besucht, wollte aber einen waffenlosen Dienst machen. Da hat ein Kommandant ihm das Zivildienstgesuch gegeben. «Das habe ich dankend angenommen», sagt er lachend.
Der Einsatzbetrieb aller 12 Zivis ist die Stiftung Umwelteinsatz Schweiz. Die Stiftung habe seit der Einführung des Zivildienstes in den 1990er-Jahren Zivildienstleistende eingesetzt. Das habe eine Renaissance des Trockenmauerbaus in der Schweiz ausgelöst, sagt Nicolas Ilg, Leiter Bereich Trockenbau.
Zivis gründen Trockenmauer-Baufirmen
Die Stiftung gehört zu den grossen Einsatzbetrieben im Zivildienst. Jährlich bauen und sanieren um die 100 Zivildienstleistende Trockenmauern. Zwischen März und Oktober arbeiten zwei Gruppen dauernd auf rund 20 Baustellen in der Schweiz. 5500 Diensttage kommen so zusammen.
So ist über die Jahre ein ganzes Ökosystem entstanden. Ehemalige Zivis haben Firmen gegründet für den Trockenmauerbau oder liessen sich als Baustellenleiter anstellen. Sie erhalten das Wissen und geben es weiter. Würde der Zivildienst verschwinden, wäre wohl auch dieses handwerkliche Kulturerbe gefährdet.
Ein kleines Geheimnis versteckt sich in der Mauer
Seit sieben Wochen ist die Gruppe hier im Jura tätig. In zwei Tagen soll die Mauer fertig gebaut sein. Doch davor muss noch eine kleine Kammer in die Mauer gebaut werden. Baustellenleiter Siro Müller lüftet das Geheimnis. In jeder Trockenmauer gebe es einen lockeren Stein, den man herausziehen könne. Dahinter sei eine Flasche Schnaps oder Wein versteckt.
«Wenn man beim Wandern an einer Mauer vorbeikommt, weiss man, da ist eine Flasche Schnaps hinterlegt», sagt er lachend. Die Regel lautet: Wer austrinkt, muss eine neue Flasche hineinstellen. Eine lebendige Tradition – so wie der Trockenmauerbau.