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Demos gegen Corona-Massnahmen Werden Grundrechte in der Schweiz zu stark eingeschränkt?

Gegnern von Corona-Massnahmen werden Demos verboten. Sie fühlen sich unrecht behandelt. Ein Jurist widerspricht.

Mehrfach versammelten sich in den vergangenen Wochen Tausende, um gegen die Corona-Massnahmen zu demonstrieren. Regeln wie etwa die Maskenpflicht ignorierten sie meist, zuletzt am Wochenende in Rapperswil-Jona. Darüber empören sich viele. Markus Häni und sein Aktionsbündnis Aargau-Zürich haben dennoch weitere Kundgebungen geplant, in Wettingen und in Aarau. Kürzlich wurden die Gesuche dafür von den Behörden abgelehnt.

Als mündiger Mensch will ich eine Regel nachvollziehen können.
Autor: Markus Häni Aktionsbündnis Aargau-Zürich

Häni hat dafür kein Verständnis. Sämtliche Aerosol-Experten sagten, dass eine Ansteckung im freien Raum nicht möglich sei, betont Häni. Dass Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen grundsätzlich verboten sind, lässt er nicht gelten. «Wenn eine Regel unsinnig ist, dann ist ziviler Ungehorsam gefordert. Als mündiger Mensch will ich eine Regel nachvollziehen können.»

Demokratieforscher haben für diese Ansicht Verständnis. «Es ist ein wichtiger rechtsstaatlicher Grundsatz, dass Einschränkungen von Menschenrechten begründet werden müssen», sagt Lorenz Langer, Assistenzprofessor für öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Zürich. «Aber das sind objektive Begründungen. Man kann nicht selber einen subjektiven Standard setzen und hoffen, dass er begründet wird.»

Maskenpflicht laut Polizei nicht durchsetzbar

Dennoch liess die Polizei die Demonstrierenden an der unbewilligten Kundgebung in Rapperswil-Jonas gewähren. Dafür musste sie viel Kritik einstecken. Einzugreifen wäre unverhältnismässig gewesen, sagt Mark Burkhard, Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten. «Wir können eine Demonstration in einer Innenstadt mit mehreren Tausend Personen nicht wegen Nichttragens einer Maske auflösen. Und wir können die Leute nicht dazu zwingen, eine Maske zu tragen.»

Eine Änderung der Einsatz-Taktik erachtet die St. Galler Regierung nicht als angezeigt.
Autor: Fredy Fässler Präsident der Konferenz der Kant. Justiz- und Polizeidirektoren KKJPD

Ins gleiche Horn bläst am Mittwoch der verantwortliche St. Galler Polizeidirektor Fredy Fässler. Er sagt gegenüber Radio SRF: «Die Regierung ist der Überzeugung, dass die Kantonspolizei St. Gallen korrekt und richtig gehandelt hat. Eine Änderung der Einsatz-Taktik erachtet sie nicht als angezeigt.»

Audio
Interview mit St. Galler Polizeichef Fredy Fässler
aus Regionaljournal Ostschweiz vom 27.04.2021. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 37 Sekunden.

Das Nichttragen einer Maske an einer unbewilligten Demo sieht der Rechtsexperte kritisch. «Wenn eine Rechtsordnung gelten soll, dann muss sie durchgesetzt werden. Wenn sie ständig missachtet wird, ist es keine Rechtsordnung mehr», sagt Lorenz Langer.

Es kann sein, dass man sich in den Menschenrechten verletzt fühlt. Das heisst aber nicht, dass man auch verletzt ist.
Autor: Lorenz Langer Assistenzprofessor für öffentliches Recht

Wenn tatsächlich immer mehr Menschen die Regeln nicht mehr verstehen, dann fühlen sich auch immer mehr Menschen davon eingeschränkt. So auch Markus Häni. «Meine Menschenrechte sind zum Teil verletzt», sagt er. Er könne sich nicht frei bewegen, habe wegen der Impfung Sorge um seine körperliche Unversehrtheit und dürfe seine Meinung nicht mehr frei äussern.

Der Rechtsexperte relativiert. «Es kann natürlich sein, dass man sich in den Menschenrechten verletzt fühlt. Das heisst aber nicht, dass man auch verletzt ist. Menschenrechte gelten nicht absolut, in einer Gesellschaft gibt es Einschränkungen», erklärt Langer. «Die persönliche Freiheit garantiert mir zum Beispiel, dass ich herumlaufen darf, wie ich will. Aber wir haben trotzdem ein Verbot, nackt herumzulaufen.»

Das politische Nachspiel auf die Demonstration in Rapperswil-Jona

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Legende: SRF

Die St. Galler Kantonspolizei liess die Demonstrierenden an der Kundgebung in Rapperswil-Jona gewähren. Dafür gibt es viel Kritik – auch aus der Politik. In einem politischen Vorstoss will die GLP von der St. Galler Regierung wissen, wie solche unbewilligte Kundgebungen bei einem nächsten Mal verhindert werden könnten. Anders sieht es die St. Galler SVP. Sie findet, dass es während Corona besonders wichtig sei, dass Menschen demonstrieren dürfen. «Die Polizei hatte einen sehr sensiblen Umgang mit der Situation», sagt SVP-Fraktionspräsident Sascha Schmid gegenüber dem «Regionaljournal Ostschweiz». Meinungs- und Versammlungsfreiheit sei ein wichtiges Gut, das auch in der Pandemie gewährleistet sein müsse.

Dennoch: Markus Häni fühlt sich wie alle seine Mitstreiter vom Staat unverstanden. Und von den Behörden bedrängt. «Ich bin besorgt über den Zustand unseres Staates», sagt er. Grundrechte würden zunehmend eingeschränkt oder abgeschafft.

Lorenz Langer teilt diese Ansicht nicht. «Es gibt eine intensive öffentliche Diskussion. Das zeigt, dass die Bedenken ernst genommen werden. Und die Kritikerinnen und Kritiker können ihre Argumente beispielsweise im öffentlich-rechtlichen Fernsehen darlegen. Das wäre in einem diktatorischen System nicht möglich», sagt er. Grundrechte wie die Meinungsäusserungsfreiheit bestünden durchaus.

10vor10, 26.04.2021, 21:50 Uhr;

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