Worum es geht: Im Tessin sorgt ein ungewöhnlicher Vorgang für Aufsehen: Die Lega-Staatsräte Norman Gobbi und Claudio Zali tauschen mitten in der Legislaturperiode ihre Departemente. Gobbi, bisher Justiz- und Polizeidirektor, übernimmt das Bau- und Umweltressort. Zali, bisher für Bau und Umwelt zuständig, wird neuer Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements.
Wie aussergewöhnlich ist das? Der Zeitpunkt des Wechsels sei aussergewöhnlich, sagt die freie Journalistin Martina Kobiela. «Departementsrochaden finden üblicherweise erst nach kantonalen Wahlen statt.» Die Ankündigung selbst erfolgte zunächst in der Sonntagszeitung «Il Mattino della Domenica», bevor die Regierung den Tausch offiziell bestätigte. Dieses Vorgehen stiess bei den anderen Regierungsmitgliedern – einer SP-Staatsrätin, einem FDP- und einem Mitte-Staatsrat – auf Kritik. Sie fühlten sich übergangen und vor vollendete Tatsachen gestellt. Gobbi hatte seinen Mitarbeitenden bereits eine Abschiedsmail geschickt und Zali sprach bei einer Feier von einer «Rückkehr nach Hause» ins Justizdepartement. Zali war früher als Richter tätig.
Das hat natürlich eine Identitätskrise für die Lega verursacht.
Kritik an der Lega: Tessiner Medien kritisierten Gobbi und Zali in der Vergangenheit häufig für ihre angeblich mangelnde Effizienz in ihren jeweiligen Ressorts. Gobbi sah sich im letzten Jahr mit einem Mobbingvorfall am kantonalen Strafgericht konfrontiert, der zum Abgang dreier Richter führte. Zali stand wegen des Umgangs mit dem Wolfsproblem und des ausbleibenden Baus des geplanten Umfahrungstunnels bei Agno in der Kritik. Die Lega selbst begrüsst den Wechsel und bezeichnet ihn als «wichtigen Schritt auf dem Weg der Erneuerung». Gobbi rechtfertigt den Tausch mit dem Wunsch nach neuen Herausforderungen nach 14 Jahren im Justiz- und Polizeidepartement. Zali ist seit 12 Jahren Bau- und Umweltdirektor.
Warum das Parteistrategie sein könnte: Für Journalistin Kobiela könnte diese ungewöhnliche Rochade auch als strategisches Manöver der Lega interpretiert werden, um sich wieder stärker als Protestpartei zu positionieren. Die Partei, die mit zwei von fünf Sitzen die stärkste Kraft in der Tessiner Regierung stellt, scheint nach Kobielas Auffassung die Konfrontation mit den anderen Parteien zu suchen. Der Aufschrei der mitregierenden Parteien über die Art und Weise des Departementswechsels spiele der Lega allerdings in die Hände, so Kobiela. Die Lega, einst aus einer Protestbewegung heraus entstanden, leide möglicherweise unter einer Positionierungskrise, nachdem sie zur etablierten Regierungspartei geworden ist, mutmasst Kobiela. «Das hat natürlich eine Identitätskrise für die Lega verursacht. Die Strategie, da wieder herauszukommen, scheint zu sein, dass man die anderen Parteien wieder gegen sich aufbringt.»