Die Heilmittelbehörde Swissmedic hat die Booster-Impfungen für «besonders gefährdete Personen» genehmigt. Zugelassen wurden Drittimpfungen für die beiden Hersteller Pfizer/Biontech und Moderna. Wieso genau lässt der Impfschutz eigentlich nach? Und was passiert, wenn man die Booster-Impfung zu früh bekommt? Die Fragen der SRF-Community beantwortet Thomas Häusler.
Frau Prof. Stadler schätzt, dass 10 000 bis 20 000 Spitalaufenthalte durch den Booster der Älteren verhindert werden könnten. Wären die nicht geboosterten Älteren somit ein Reservoir für und Verbreiter von Covid-19?
Tanja Stadler, die Leiterin der wissenschaftlichen Taskforce, stützt sich bei Ihren Aussagen auf aktuelle Berechnungen der Taskforce, nachzulesen im aktuellen Lagebericht vom 26. Oktober. Der Schutz der Impfung vor symptomloser Ansteckung liegt bei der Delta-Variante des Virus bei allen Altersgruppen tiefer als bei früheren Varianten. Auch der Schutz gegen leichte symptomatische Ansteckungen ist etwas gesunken. Allerdings gibt es Hinweise, dass geimpfte Infizierte das Virus weniger verbreiten als Ungeimpfte, vermutlich weil die Impfung die infektiöse Krankheitsphase verkürzt, und die Viren bei geimpften Personen weniger infektiös sein könnten.
Zusätzlich hat man nun im Oktober auch in der Schweiz beobachtet, dass der Schutz vor Hospitalisierung bei älteren Menschen mit zunehmender Dauer nach der Impfung etwas abgenommen hat. Zusammengenommen heisst das, dass man alle Geimpften in gewisser Weise als mögliche Verbreiter von Sars-CoV-2 betrachten muss – mehr als vor einigen Monaten, aber immer noch deutlich weniger als Ungeimpfte. Ob dies für ältere geimpfte Menschen noch etwas mehr zutrifft, erscheint plausibel, aber unseres Wissens gibt es dazu wohl noch nicht so viele eindeutige Daten. Die Schutzwirkung der Impfung ist bei älteren Menschen durch viele Untersuchungen eindeutig gezeigt worden.
Was heisst eigentlich «der Impfschutz hat nachgelassen»? Wie kann dies überprüft werden und wer überprüft das?
Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die untersucht haben, wie gut Impfungen schützen, und wie sich das über die Zeit verändert. Man folgt zum Beispiel zwei Gruppen von Geimpften resp. Ungeimpften über mehrere Monate und vergleicht, wie viele Menschen sich in den beiden Gruppen anstecken oder ins Spital müssen. Oder es gibt Studien, die die Schutzwirkung der Impfung in verschiedenen Altersgruppen ausserhalb des Spitals untersucht haben – basierend auf einer grossen zufälligen Auswahl von Menschen, die einen positiven Corona-PCR-Test erhalten hatten. Zusätzlich schaut man sich an, wie viele Menschen, die wegen Covid-19 hospitalisiert werden, geimpft sind oder nicht und vergleicht dies über die Zeit. Alle diese Untersuchungen zeigen dasselbe: Die beiden mRNA-Impfungen, die in der Schweiz verabreicht werden, schützen sehr gut vor schweren Verläufen, aber bei älteren Menschen, besonders über 80, nimmt der Schutz etwa nach einem halben Jahr ab – darum nun die Empfehlung, dass sich diese Menschen eine Auffrischungsimpfung geben lassen sollen.
Diese Studien werden von vielen WissenschaftlerInnen in verschiedenen Ländern durchgeführt. Publizierte Studien werden auch immer noch von nicht-beteiligten WissenschaftlerInnen geprüft.
Gibt es auch aktuelle Studien zur Evidenz und Relevanz der Gedächtniszellen ( T-Zellen) neben den Antikörper? Sind die T-Zellen nachweisbar?
Die Untersuchung von Immunzellen – verschiedene Typen von B- und T-Zellen – ist aufwendiger als viele Tests zu Antikörpern. Es gibt mittlerweile aber einige gute Studien dazu. Sie zeigen, dass die T-Zellen bei der Abwehr von Sars-CoV-2 wichtig sind. T-Zellen sind übrigens keine Gedächtniszellen, sondern sogenannte Helfer- und Killerzellen. Die Gedächtniszellen sind vom B-Typ – sie produzieren die Antikörper und die Gedächtniszellen sind solche, die bei einer erneuten Ansteckung sich rasch vermehren und für eine prompte Abwehr durch Antikörper verantwortlich sind.
Weshalb nimmt bei älteren Personen der Impfschutz ab und bei jüngeren Personen nicht?
Es gibt Studien, die die Schutzwirkung der Impfung in verschiedenen Altersgruppen ausserhalb des Spitals untersucht haben – basierend auf einer grossen zufälligen Auswahl von Menschen, die einen positiven Corona-PCR-Test erhalten hatten. Und dort hat man bei älteren Menschen eine schnellere Abnahme des Schutzes gesehen. Dieser Effekt ist also real. Zu erklären ist er mit dem Alterungsprozess. Auch das Immunsystem ist im Alter weniger leistungsfähig.
Ungenügend dosierte Antibiotika können zur Resistenz von Bakterien führen. Kann eine zu geringe Impfdosis einen ähnlichen Effekt haben und zu resistenteren Viren führen? Sollte der Booster deshalb auch aus epidemiologischen Gründen allgemein empfohlen werden?
Grundsätzlich gilt: Je mehr Menschen angesteckt werden, desto wahrscheinlicher treten neue Varianten des Virus auf. Von daher ist die Überlegung richtig – nämlich dann, wenn der Schutz der Impfung gegen Ansteckungen bei jüngeren Menschen deutlich abgenommen hat. Allerdings wäre der Effekt momentan viel grösser, wenn sich möglichst viele Ungeimpfte noch zur Impfung entschliessen könnten und wenn Menschen in ärmeren Ländern die Chance zur Impfung erhielten. Es gibt auch Hinweise, dass die Gefahr, dass sich gefährliche Varianten bilden, in immungeschwächten Menschen, in denen sich das Virus besonders lange festsetzen kann, erhöht sein könnte. Hart bewiesen ist das nicht, aber ein besonderer Schutz dieser Personen vor Ansteckung (durch Impfung und andere Massnahmen) würde sich anbieten und das ist ja auch aus gesundheitlicher Sicht sinnvoll.
Was passiert, wenn man sich die Booster-Impfung zu früh spritzen lässt? Nur fünf Monate nach der zweiten Impfung?
Eine unmittelbar nachteilige Wirkung einer Auffrischungsimpfung nach 5 statt nach 6 Monaten ist kaum zu erwarten; bei jüngeren Menschen vielleicht etwas heftigere Nebenwirkungen. Aber eine unnötig frühe Auffrischung ist nicht sinnvoll. Bisher weiss man nicht, wie lange die Wirkung dieses Boosters anhält – sollte dies ebenfalls eher kurz sein, müsste man umso früher eine erneute Auffrischung bekommen.