Zum Inhalt springen

Drohender Energiemangel Energie sparen: Schon ein Grad weniger heizen macht viel aus

Die Schweiz ist abhängig von Öl- und Gasimporten – und ein Energiemangel ist wegen des Ukraine-Kriegs plötzlich denkbar. Was tun?

Wieso gibt es eine Debatte, mehr Energie zu sparen? Öl könnte bald knapper und teurer werden, falls die EU diese Woche ein Embargo gegen Russland verhängen sollte. Und ein allfälliger Stopp russischer Gaslieferungen würde auch die Schweiz treffen. «Die Schweiz ist wie andere Länder total abhängig von Öl- und Gas-Importen», sagt Bundesrat Guy Parmelin im Eco Talk von SRF. Der Wirtschaftsminister führt erstmals ins Feld, dass der Bund die Bevölkerung bitten könnte, im Winter weniger zu heizen. «Bereits ein Grad weniger würde den Gasverbrauch um fünf bis sieben Prozent senken.»

Wie ist Parmelins Aussage einzuordnen? Léonore Hälg von der Schweizerischen Energiestiftung kann der Idee des Bundesrats durchaus etwas abgewinnen. Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) bestätigen Parmelins These. «Pro Grad, das man weniger heizt, können 6 bis 7 Prozent Energie eingespart werden. Rund ein Fünftel der Wohngebäude in der Schweiz wird mit Gas geheizt. Würden sie alle 2 Grad weniger heizen, müssten wir fürs Heizen 12 bis 14 Prozent weniger Gas importieren», rechnet die Energieexpertin vor.

Energie sparen: Was kann ich tun? Zwei Drittel des Energiebedarfs im Haushalt werden fürs Heizen eingesetzt. «Jeder Einzelne kann viel machen – wie die Raumtemperatur reduzieren oder nur noch Stosslüften statt den ganzen Tag das Fenster zu kippen», sagt Hardy Schröder, Energieberater bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ). Zudem gebe es gute Technik auf dem Markt, welche die Wärmeverteilung intelligent steuert. Mit einfachen Tricks können Sie Energie sparen:

Reicht die geforderte Eigeninitiative beim Heizen aus? Kurzfristig sei es wirkungsvoll, wenn jede und jeder seine Heizung um zwei Grad runterschraubt, sagt Léonore Hälg. «Langfristig ist ein Umstieg auf effizientere Technologien allerdings sinnvoller. Sowohl wegen des Klimas als auch wegen der Energieunabhängigkeit sollten auf Dauer keine fossilen Energieträger mehr importiert werden.» So braucht eine Wärmepumpe nur ein Drittel so viel Energie wie eine Gasheizung.

Sollen Bund und Kantone Anreize zum Energiesparen schaffen? Politische Massnahmen können einen massiv grösseren Einfluss aufs Energiesparen haben als freiwillige Entscheide, wie eine Studie der ZHAW zur Klimaerhitzung zeigt. «Bund und Kantone müssen Anreize schaffen, damit die Bevölkerung und Unternehmen tatsächlich Energie sparen – etwa, indem sie nachhaltigere Energieformen fördern und dafür sorgen, dass Öl- und Gasheizungen ersetzt werden», erklärt Hälg. Cornelia Meyer, eine weitere Energieexpertin, warnt jedoch, dass Regulierungen tendenziell Tiefverdiener übermässig stark belasten.

Wie abhängig ist die Schweiz von russischem Gas und Öl? Gemäss Statistik von Gazenergie.ch stammten 2020 47 Prozent der direkten Gasimporte aus Russland. Russland ist der wichtigste Gaslieferant der Schweiz. «Da die Schweiz selber kein Gas produziert und nicht über Raffinerien im Ausland verfügt, sind wir stark vom Ausland abhängig – auch von Russland», erklärt Energieexpertin Meyer. Sie relativiert jedoch, dass Gas nur rund 14 Prozent des Energieverbrauchs ausmache.

Beim Erdöl ist die Lage weniger dramatisch: Die Schweiz hat 2020 lediglich 8225 Tonnen Rohöl aus Russland importiert – verglichen mit der Gesamtmenge ein verschwindend kleiner Teil.

Energie sparen: Drei Beispiele aus Gemeinden

Jonschwil: Die St. Galler Gemeinde hat Massnahmen zum Stromsparen ausgearbeitet. Jonschwil erwägt, die Strassenbeleuchtung stärker zu dimmen oder auf wichtige Kreuzungen zu beschränken. Da ein Teil der Schulanlagen mit Erdwärmesonden geheizt wird, könnte dort mittels einer generellen Temperatur-Absenkung Strom eingespart werden. Ein Runterfahren der Kläranlage im Winterhalbjahr über Nacht ist ebenfalls denkbar.

Schlieren: Das Wasser im Schwimmbad «Im Moos» in Schlieren (ZH) wird diesen Sommer nicht erwärmt. «Wir wollen Putins Krieg nicht länger mitfinanzieren und heizen unsere Becken nicht mehr mit russischem Gas», sagt Stadtrat Christian Meier. Normalerweise können Gäste bei 20 Grad plantschen, dieses Jahr beträgt die Wassertemperatur nur um die 17 Grad. Natürlich habe die Massnahme allein nur einen geringen Effekt, räumt Meier ein. «Doch jeder Franken, der nicht nach Russland fliesst, ist sinnvoll. Wenn das Verständnis wächst und jeder etwas weniger heizt, macht das irgendwann viel aus.»

Blick ins Schwimmbad Im Moos Schlieren.
Legende: Die Becken in der Badi «Im Moos» in Schlieren werden diesen Sommer nicht geheizt. Der Stadtrat rechnet aufgrund der Energiesparmassnahme mit weniger Besuchern. Keystone

Horw: In der ganzen Schweiz gibt es Seethermie-Projekte, um aus kaltem Seewasser Energie zu gewinnen. Am Vierwaldstättersee entsteht das landesweit grösste dieser Projekte. Die See-Energie-Anlage von Energie Wasser Luzern EWL im Luzernischen Horw soll 7000 Haushalte mit Wärme beliefern.

Wie weit würden Sie gehen, um Energie zu sparen?

Box aufklappen Box zuklappen

Weniger stark heizen, Lichter löschen oder in kaltem Wasser baden: Wie weit würden Sie gehen, um Energie zu sparen? Diskutieren Sie unterhalb dieses Artikels in der Community mit.

Tagesschau, 03.05.2022, 19:30 Uhr

Meistgelesene Artikel