SRF News: Der SVP gelingt es sonst so gut wie keiner anderen Partei, die eigene Basis zu mobilisieren. Dieses Mal scheinen das aber Ihre Gegner mindestens so gut gemacht zu haben. Stimmen Sie dem zu?
Albert Rösti: Ja, dem stimme ich zu. Die Mobilisierung von Kreisen, die sich sonst weniger politisch betätigen, haben eine Gegenbewegung verursacht. Ich spreche von Kunstschaffenden oder sozialen Kreisen, die vor allem in Städten mobilisieren konnten. Sie haben sicher zu dem Nein beigetragen.
In vielen Kommentaren ist zu lesen, die SVP habe mit der Durchsetzungsinitiative den Bogen überspannt. Das wurde offensichtlich vom Volk nicht goutiert...
Ich stimme dieser Interpretation nicht zu. Auch in bürgerlichen Kreisen ausserhalb der SVP hat man betont, dass schwer kriminelle Ausländer ausgeschafft werden müssen. Damit hat man unser Hauptargument, das wir für die Durchsetzungsinitiative ins Feld geführt hatten, übernommen. So sagte etwa FDP-Präsident Philipp Müller stets, man wolle eine «pfefferscharfe» Umsetzung des Gesetzes, welches National- und Ständerat verabschiedet haben. Gegenüber 2010 führte also der jetzige Abstimmungskampf dazu, dass die Frage, ob schwer kriminelle Ausländer ausgeschafft werden sollen, gar nicht mehr gross zur Debatte stand. Man hat sich auf die Diskussion von Bagatelldelikten konzentriert. Hier ist sicher eine gewisse Selbstkritik am Platz.
Immerhin haben aber 59 Prozent der abstimmenden Bevölkerung zur Durchsetzungsinitiative Nein gesagt. Wird die SVP künftig auf solche Durchsetzungsinitiativen verzichten?
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Diese Initiative war zur Durchsetzung der Ausschaffungsinitiative richtig, auch wenn wir die Abstimmung verloren haben. Dank der lebhaften und intensiven Debatte gibt es nun Hinweise, wie die Bevölkerung betreffend der Ausschaffung denkt. Wir haben nun eine Leitlinie für die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative, da auch die Gegner stets betonten, man sei für die Ausschaffung krimineller Ausländer, allerdings müsse man den Deliktekatalog nicht in die Verfassung schreiben. Eine weitere Durchsetzungsinitiative zu anderen Themen ist derzeit nicht vorgesehen. Allerdings werden wir bei Themen, bei denen es uns sachlich als richtig erscheint, das Initiativrecht natürlich weiterhin gebrauchen.
Ihre Partei sammelt derzeit Unterschriften für die so genannte Selbstbestimmungsinitiative. Da geht es darum, dass Schweizer Recht gegenüber internationalem Recht Vorrang haben soll. Lohnt es sich nach der gestrigen Volksabstimmung überhaupt noch, weiter Unterschriften zu sammeln?
Es ist klar, dass wir diese Unterschriftensammlung weiterführen werden. Es handelt sich hier um ein anderes, ebenfalls sehr wichtiges Thema: Es geht um die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit unseres Landes. Das Thema muss unabhängig vom Ergebnis der Abstimmung zur Durchsetzungsinitiative diskutiert werden. In vielen Bereichen werden wir stark vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg oder von EU-Recht beeinflusst. Es gibt viele Automatismen, die zu Anpassungen in der Schweiz führen. Zudem ist ein institutionelles Abkommen mit der EU vorgesehen, das eine automatische Rechtsübernahme bedeuten würde. Das alles hat nichts mit der gestrigen Abstimmung zu tun. Entsprechend gibt es keinen Grund, die Unterschriftensammlung für die Selbstbestimmungsinitiative in Frage zu stellen. Im Abstimmungskampf werden wir uns bewusst sein müssen, dass wir unsere Reihen intern voll geschlossen halten müssen, wenn wir wiederum gegen alle anderen antreten. Das war diesmal nicht der Fall, es gab auch aus der SVP Regierungsräte oder Richter, die eine andere Meinung vertraten.
Nicht viele Volksinitiativen erhalten 40 Prozent Zustimmung.
Wenn aber die Gegner wieder so gut mobilisieren, wird es sehr schwierig für die SVP, die Volksabstimmung zu gewinnen...
Unbestritten: Wenn eine Partei alleine dasteht, dann wird es äusserst schwierig. Doch es gibt keinen Grund, eine Vorlage der Bevölkerung nicht vorzulegen, wenn man vom Inhalt überzeugt und die Notwendigkeit einer Diskussion vorhanden ist. Jede Initiative beeinflusst auch bei einem Nein die Politik. So ist auch zur Durchsetzungsinitiative zu sagen, dass sich über 40 Prozent der Bevölkerung zum von der SVP vorgeschlagenen Weg bekannt haben – nicht viele Volksinitiativen erhalten mehr als 40 Prozent Zustimmung. Es gilt, die Niederlage zu akzeptieren, keine Frage. Trotzdem wird die Initiative die Politik beeinflussen.
Am 23. April werden Sie aller Voraussicht nach neuer SVP-Präsident. Macht die Abstimmungsniederlage bei der Durchsetzungsinitiative Ihren Start als Parteipräsident schwieriger?
Wenn man sich für ein solches Amt zur Verfügung stellt, weiss man im Voraus, dass man einmal oder auch mehrmals eine Abstimmung verlieren und auch mal eine gewinnen wird. Insofern ist es vielleicht besser, so zu starten, als hochgejubelt zu werden und dann tief zu fallen. Sicher ist: Wir haben eine Riesenarbeit vor uns im politischen Kampf für Unabhängigkeit, Sicherheit und Freiheit. Als ich mich für das Amt zur Verfügung stellte, war mir bewusst, dass das nicht einfach werden würde.
Das Interview führte Hans Ineichen.