Zum Inhalt springen

Ein Jahr nach dem Bergsturz Das Bergdorf Brienz GR rutscht weiter talwärts

Auch ein Jahr nach dem Bergsturz in Brienz GR kommt der Berg nicht zur Ruhe. Neue Massnahmen sollen das Dorf sichern.

Das passierte 2023: Im Mai vor einem Jahr musste die Bevölkerung von Brienz GR die Sachen packen und das Dorf verlassen. Ein Bergrutsch drohte – und kam. Nach Wochen des Wartens und Bangens donnerten Mitte Juni, kurz vor Mitternacht, die Gesteinsmassen den Hang hinunter. Brienz aber hatte Glück im Unglück, der Schuttstrom stoppte kurz vor dem Dorf. Nach 52 Tagen durften die Anwohnerinnen und Anwohner in ihre Häuser zurückkehren.

Vorher/Nachher-Bilder des Schuttstroms von Brienz (GR)

Nach der Rückkehr: Der Berg kam und kommt nicht zur Ruhe – Brienz rutscht nach wie vor weiter talwärts. Für die Anwohnerinnen und Anwohner kehrte der Alltag im Dorf bald wieder ein, dennoch bleibt der Berg im Hinterkopf, die Unsicherheit in den Gemütern.

Hoffnung besteht: Um Brienz zu retten, wird ein bestehender Sondierstollen zur Entwässerung des Untergrundes ausgebaut. So soll das Wasser aus dem Gestein abgelassen, die Rutschung des Berges verlangsamt oder gar gänzlich gestoppt werden. Die Bauarbeiten starteten dieses Jahr und dauern voraussichtlich dreieinhalb Jahre. Das Projekt lässt hoffen, dass Brienz auch in Zukunft bewohnbar bleibt.

Die letzten Monate: Die Felsmassen rutschten in den vergangenen Monaten wieder schneller als zuvor, bisweilen mit Rekordwerten. Nichtsdestotrotz kann der Brienzer Frühwarndienst laut eigenen Angaben «mit sehr grosser Sicherheit ausschliessen», dass das Dorf gefährdet ist. Eine erhebliche Gefährdung bestehe lediglich in unbesiedelten Teilen des Bergsturzgebietes. Dort seien grossvolumige Felsabbrüche wegen der gestiegenen Geschwindigkeiten wahrscheinlicher geworden.

Wie ist die aktuelle Lage in Brienz GR?

Box aufklappen Box zuklappen

Die lokale Bevölkerung wurde an einem Informationsanlass am Mittwochabend über die derzeitige Lage aufgeklärt. Die Gefahr für das Dorf bleibt demnach praktisch unverändert. Stefan Schneider, Geologe und Leiter des Frühwarndiensts Brienz, bestätigt, dass die Rutschung seit dem letzten Dreivierteljahr immer schneller wird. Konkret bewege sich das Dorf derzeit 2.4 Meter pro Jahr in Richtung Tal. Einen akut absturzgefährdeten Bereich sehe man trotzdem nicht – die Bewohnerinnen und Bewohner seien sicher. «Aber wegen dieser hohen Geschwindigkeiten müssen wir das sehr genau und engmaschig verfolgen, damit wir rechtzeitig negative Veränderungen sehen und die Gemeinde informieren können», sagt Schneider.

Deswegen bewegt sich der Berg so schnell

Das letzte Jahr war sehr nass. Dieses Wasser sei nun in den geologischen Untergrund eingesickert. «Und eben dieses Wasser wirkt wie ein Schmiermittel auf die Rutschung», erklärt Schneider weiter. Ein Entwässerungsstollen soll dem entgegenwirken. Der Bau sei im Gange, benötige aber auch Zeit und Geduld.

Ausblick auf den Winter

Die Rutschung pflegt sich laut Schneider in der kalten Jahreszeit zu beschleunigen. Auch dieses Jahr müsse man davon ausgehen, dass die Geschwindigkeit nochmals zunimmt. «Wie hoch allerdings, können wir nicht sagen.» Je schneller die Rutschung, desto grösser sei dann die Gefährdung am Berg. Zudem würden Strassen, Leitungen und Häuser darunter leiden.

Die nächsten Jahre

«Wir können nicht ganz ausschliessen, dass ein grosser Schuttstrom oder Bergsturz eintreten könnte», sagt Schneider. Aber man gehe davon aus, dass sich die Lage mit dem Stollenvortrieb verbessern, dass die Rutschung auf ein erträgliches Mass gebremst wird und ein Wohnen im Dorf damit möglich bleibt. «Mit dieser Massnahme der Entwässerungsstollen schauen wir positiv in die Zukunft», so Schneider.

Besserung für nahe Dörfer: Für einige Ortschaften der Gemeinde Albula/Alvra hat sich die Lage entspannt. So empfiehlt die zuständige Gefahrenkommission des Kantons nach einer Neubewertung eine Verkleinerung der Planungszone mit Bauverboten, die bereits 2020 wegen der Bergsturzgefahr verhängt worden war. Der westliche Teil von Vazerol sowie Surava gelten nicht mehr als gefährdet, für Tiefencastel besteht eine kleine Restgefährdung, wie die Gemeinde mitteilt. Für Brienz bleibt das flächendeckende Bauverbot der Planungszone hingegen bestehen.

Heute Morgen, 22.08.2024. 06:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel