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Einem Rätsel auf der Spur Warum für manche junge Menschen Covid-19 gefährlich werden kann

Schwere Verläufe bei jungen Menschen sind selten, doch es gibt sie. Das ist ein Rätsel. Doch es gibt erste Erklärungen.

Warum manche junge Menschen schwer an Covid-19 erkranken, während die meisten anderen ihrer Altersgruppe leichte Verläufe haben, ist noch ein ungelöstes Rätsel. Doch allmählich wird klar: Das angeborene Immunsystem spielt eine entscheidende Rolle, sagt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.

Katrin Zöfel

Wissenschaftsjournalistin

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Katrin Zöfel ist Wissenschaftsredaktorin bei SRF. Sie ist Biologin und versucht zu verstehen, wie die Wissenschaft helfen kann, Antworten auf gesellschaftlich wichtige Fragen zu finden.

SRF News: Was sagt die Forschung?

Katrin Zöfel: Es deutet immer mehr darauf hin, dass zumindest einige der jungen Menschen, die schwer an Corona erkranken, im angeborenen Immunsystem Defekte haben. Also in jenem Teil des Immunsystems, mit dem wir auf die Welt kommen. Dieser wehrt Krankheitserreger ab, die der Körper noch nicht kennt – so wie das neue Coronavirus SARS-CoV2, gegen das anfangs niemand immun war.

Niemand war zu Anfang immun und trotzdem verlaufen viele Infektionen mit Corona mild – das ist schon speziell, oder?

Ja, das ist eine Besonderheit von Corona. Eine Person mit einem milden Verlauf kann offenbar eine sehr wirksame erste Immunantwort abrufen. Der naheliegende Schluss ist darum, dass junge Menschen ohne Vorerkrankungen oder Risikofaktoren, die es trotzdem überraschend hart trifft, genau dort ein Defizit haben könnten.

Um dieser These nachzugehen, hat ein Forscher-Team in den Niederlanden zwei Brüderpaare zwischen Anfang 20 und Anfang 30 untersucht. Alle vier wurden schwer krank, alle mussten beatmet werden, einer starb. Die Forscher suchten gezielt nach männlichen Patienten, weil laut einer Erhebung in den Niederlanden unter jungen Patienten mit schweren Verläufen sechs von sieben männlich sind.

Was wurde herausgefunden?

Alle vier hatten in ihrem Erbgut Defekte im Gen TLR-7, damit ist auch der sogenannte Toll-Like-Receptor 7 defekt. Dieser erkennt Viren-Erbgut und schlägt Alarm, wenn ein möglicherweise gefährlicher Krankheitserreger im Körper ist.

Das Signal dieser TLR-7-Rezeptoren setzt die Interferon-Antwort in Gang. Interferone sind Botenstoffe, die sehr schnelle und effiziente Immunreaktionen auslösen. Diese erste Abwehrlinie hat bei diesen vier jungen Männern offenbar nicht gut funktioniert, sodass die Viren sich gut vermehren und einen schweren Verlauf auslösen konnten.

Und warum trifft es vor allem Männer?

Das liegt zumindest in diesem Fall daran, dass dieses TLR-7 auf dem X-Chromosom sitzt. Männer haben nur ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom, Frauen haben zwei X-Chromosomen. Wenn sie auf einem X eine defekte Version des Gens haben, können sie immer noch eine intakte Version auf ihrem zweiten X-Chromosom haben. Männer nicht.

Diese eine Studie reicht aber nicht für weitgehende Schlüsse.

Nein. Aber weitere Studien deuten ebenfalls in diese Richtung. So eine aus den USA, die das Erbgut mehrerer hundert Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen untersuchte, und es mit dem Erbgut von Menschen mit einem milden Verlauf verglich. Es wurden weitere genetische Besonderheiten gefunden. Einige davon hatten ebenfalls mit dem Interferon-Haushalt zu tun.

Ist damit das Rätsel gelöst, was über den Verlauf von COVID-19 entscheidet?

Nein, noch lange nicht. Aber es ist klar, dass die allererste Abwehr, das angeborene Immunsystem, eine zentrale Rolle für die erste Sortierung spielt: hier der milde, fast unbemerkte Krankheitsverlauf, und dort jemand, der das Virus gleich zu Anfang nicht besonders gut abwehren kann.

Das Gespräch führte Katharina Bochsler.

SRF2 Wissenschaftsmagazin vom 27.3.2021 ; 

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