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Einsatz gegen Kriminalität Mut statt Angst: Wie drei Leute gegen die Kriminalität kämpfen

Jahr für Jahr steht Basel-Stadt an der Spitze der Kriminalitätsstatistik. Die Basler Politik kämpft mit verschiedenen Massnahmen gegen die vergleichsweise hohe Kriminalität. Diese verunsichert jedoch die Menschen und weckt Ängste, aber es weckt auch Zivilcourage. SRF zeigt drei Menschen, die sich mutig gegen Verbrechen und Ungerechtigkeit einsetzen.

Livia Boscardin: Empowerment mit Kampfkunst

Mit einem Schrei zerschlagen die Teilnehmerinnen der Kurse von Livia Boscardin ein Holzbrett. Ein Ritual in den Wen-Do-Kursen: «Hier geht es um Selbstverteidigung und Selbstbehauptung für Frauen und genderqueere Personen», sagt Boscardin zu Beginn des Kurses.

Mit Faust, Ellbogen und Füssen lernen sie sich zu wehren. Die Teilnehmenden sind Frauen, Opfer von sexueller Belästigung. Frauen, die wissen wollen, wie sie sich in bedrohlichen Situationen verhalten sollen.

Wo beginnt ein Übergriff?

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Sexualisierte Gewalt ist kein Randproblem, sondern tief in gesellschaftlichen Strukturen verankert. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik der Schweiz wurden im Jahr 2024 insgesamt knapp 10'000 Straftaten gegen die sexuelle Integrität erfasst. Dazu zählen unter anderem Vergewaltigungen, sexuelle Übergriffe und sexuelle Belästigung.

Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit, Massnahmen zur Prävention und Unterstützung von Betroffenen zu verstärken. Die Dunkelziffer dürfte zudem erheblich höher sein, da viele Übergriffe nicht zur Anzeige gebracht werden.

Auffällig in Basel-Stadt: Anzeigen wegen häuslicher Gewalt sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Dabei ist unklar, ob es tatsächlich mehr Fälle gab – oder ob einfach nur mehr Anzeigen erstattet wurden. Dies könnte auch auf eine positive Entwicklung hindeuten. Nämlich dann, wenn sich mehr Menschen an die Polizei wenden.

In Boscardins Kursen geht es um die Vermittlung von Empowerment und Gewaltprävention. Sie informiert die Teilnehmerinnen über die Definitionen von sexueller Belästigung und darüber, was angemessen ist und was nicht.

Heiner Vischer: Mit GPS-Tracker gegen Velodiebe

Nirgends in der Schweiz werden mehr Velos gestohlen als in Basel. Und die Polizei findet kaum ein gestohlenes Fahrrad wieder. Die Aufklärungsquote liegt bei knapp 2.5 Prozent. Deutlich erfolgreicher ist diesbezüglich Heiner Vischer, ehemaliger Basler Grossratspräsident.

Mann sitzt an Schreibtisch und hält GPS-Tracker
Legende: Vischer weiss immer, wo sich sein E-Bike befindet. Er hat einen GPS-Tracker daran montiert. SRF / Sedrik Eichkorn

Mithilfe des Trackers konnte er auf seinem Smartphone schon live mitverfolgen, wie sich ein Dieb mit seinem Fahrrad davonmachte. Vischer reagierte sofort, lief zum nächsten Taxi und fragte: «Sind Sie bereit für eine Verfolgungsjagd?» Bis über die Grenze ins französische St. Louis seien sie dem Dieb nachgefahren: «Das war wie im Krimi.»

Zwei Hauptgründe für unrühmlichen Spitzenplatz

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In der nationalen Kriminalitätsstatistik steht Basel-Stadt bereits zum dritten Mal in Folge an erster Stelle. Im Stadtkanton gab es die meisten Gewaltdelikte sowie die meisten Einbrüche und Diebstähle pro 1000 Einwohner.

Stadt bietet Gelegenheiten

Basel-Stadt ist ein urbaner Kanton, mit einem vielfältigen kulturellen Angebot und einem lebendigen Nachtleben. Das ist laut Dirk Baier, Kriminologe an der Universität Zürich, ein Grund für die schweizweit rekordhohen Straftatbestände: «Das lockt Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen an. Das bringt auch Kriminalität mit sich, insbesondere, wenn zum Beispiel noch Alkohol im Spiel ist.»

Vergleicht man Basel-Stadt mit anderen Städten, zeigt sich für das Jahr 2023 ein ausgeglicheneres Bild: Mit 13.2 Gewaltstraftaten pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohnern lag Basel vor Freiburg mit 12.1 Gewaltstraftaten. In den Städten Zürich, Schaffhausen, Lausanne, Vernier und Genf lag dieser Wert zwischen 10.2 und 10.6.

Besondere Lage im Dreiland

Weiter kommt bei Basel-Stadt die spezielle Lage im Dreiland hinzu, mit offenen Grenzen mit Deutschland und Frankreich. «Bei Eigentumsdelikten können Fahrräder, Motorräder und dergleichen einfach ins Ausland gebracht werden», sagt Baier. Das mache die Arbeit für der Polizei schwierig.

Würde man diese spezifischen Gründe herausrechnen, wäre die Kriminalität mit der in anderen Schweizer Städten vergleichbar. Dirk Baier betont zudem, dass Basel-Stadt im europäischen Vergleich eine ziemlich sichere Stadt ist.

Der Dieb hatte nichts von seinen Verfolgern geahnt und habe das erbeutete E-Bike vor einem Dönerladen abgestellt. Vischer stellte den Dieb dann im Imbissrestaurant zur Rede. Noch bevor er die Polizei alarmieren konnte, sei dieser aber geflüchtet. Immerhin konnte Vischer sein Velo dank des GPS-Trackers wieder zurückbekommen.

Und das war bereits das zweite Mal, dass Vischer sein gestohlenes E-Bike mithilfe des Ortungssenders zurückholen konnte. «Danach habe ich all meinen Freunden zu Weihnachten gleich auch GPS-Tracker für ihre E-Bikes geschenkt.»

Maurice Mura: Patrouillieren und Präsenz markieren

Selbstverständlich setzt sich auch die Basler Polizei für mehr Sicherheit ein. An vorderster Front ist etwa Maurice Mura zu finden. «Ich möchte möglichst oft auf Patrouille sein, in Uniform präsent sein und damit auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen stärken.»

Basler Polizist in Uniform in der Stadt.
Legende: Maurice Mura will auf Patrouille mit Menschen in Kontakt kommen – und das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen stärken. SRF / Sedrik Eichkorn

Der 36-jährige Polizist erzählt, worauf er achtet: «Ich scanne immer alles, meine Augen wandern ständig hin und her.» Seine Patrouille führt an einer Tramhaltestelle vorbei. «Wenn alle Tramlinien einmal durchgefahren sind und eine Person immer noch dort steht, frage ich mich: Sucht diese Person wirklich ein Tram oder hält sie Ausschau nach einem Opfer?» Dieses Scanning könne er inzwischen gar nicht mehr abschalten. Das sei anstrengend und er sei am Abend müde.

Basel investiert in Sicherheit: Mehr Lohn für Polizei

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Die Basler Politik kämpft mit verschiedenen Massnahmen gegen die Kriminalität. Jüngst hat die Regierung ein Paket für eine Lohnerhöhung für die Basler Polizei präsentiert.

So sollen unter anderem wieder mehr Polizistinnen und Polizisten eingestellt werden. Denn die Kantonspolizei leidet unter chronischem Unterbestand. Aktuell sind 113 der insgesamt 735 Vollzeitstellen unbesetzt.

Mit dem Paket steigt der Personalaufwand um 20.6 Millionen Franken pro Jahr. Die Massnahme soll insgesamt rund 4000 Kantonsangestellte betreffen und dabei besonders die Polizei unterstützen.

Mix aus Massnahmen nötig

Insgesamt setzt die Basler Politik laut Dirk Baier, Kriminologe der Universität Zürich, die richtigen Akzente. Die Politik kümmere sich «ernsthaft» um das Thema. Dabei betont der Experte aber, dass es kein Patentrezept gegen Kriminalität gibt. Es brauche eine gute Mischung aus Repression und Prävention. Zudem müssten auch Gelegenheiten für Kriminalität reduziert werden, so Baier weiter.

«Bei den Patrouillen geht es natürlich nicht nur um das Vermitteln von mehr Sicherheit», betont Mura und fügt mit einem Grinsen im Gesicht hinzu: «Ich hoffe sehr, dass nicht gerade hinter mir gedealt wird, während ich hier auf diesem Platz stehe und beobachte.»

Regionaljournal Basel, 25.7.2025, 17:30 Uhr;liea

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