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Eritreer in der Schweiz «Therapieübung» im Ständerat?

Mit der Rückkehr der abgewiesenen Asylsuchenden soll es vorwärts gehen, fordert die kleine Kammer. Doch es gibt einen Knackpunkt: die eritreische Regierung.

Er habe den Eindruck, dass die Eritrea-Diskussion in den Räten mehr oder weniger einer «Therapieübung» gleichkomme, so der Aargauer Ständerat Philipp Müller. Tatsächlich wurde am Ende nur beschlossen, was der Bund bereits tut.

Doch der Reihe nach: Drei Vorstösse gleichzeitig wurden in der kleinen Kammer diskutiert:

  • Eine Motion von Nationalrätin Andrea Geissbühler (SVP/BE), die den Bundesrat dazu verpflichten will, Verhandlungsgespräche mit dem eritreischen Regierungschef aufzunehmen. Ziel: die Rückkehr ins Land zu ermöglichen.
  • Eine Motion von Ständerat Damian Müller (FDP/LU), in der er den Bundesrat auffordert, den Status der vorläufig aufgenommenen Eritreer zu prüfen und Bericht zu erstatten. Ziel: So viele vorläufige Aufnahmen wie möglich aufzuheben.
  • Die Petition einer Genfer Bürgerinitiative. Ziel: die Asylverschärfung gegenüber Eritreern solle rückgängig gemacht und den Antragstellern sofort und rückwirkend Asyl gewährt werden.

Hintergrund der Petition ist, dass das Bundesverwaltungsgericht im August 2017 zum Schluss kam, dass eine Rückkehr nach Eritrea nicht generell unzumutbar sei. Und im Sommer dieses Jahres hielt es fest, dass die Rückkehr abgewiesener Asylsuchender aus Eritrea auch dann zulässig sei, wenn diese später ein Aufgebot für den Nationaldienst erhalten könnten.

Die Petition fand kein Gehör, der Rat liess sich von Kommissionsprecherin Pascale Bruderer Wyss (SP/AG) überzeugen, dass den Einzelfällen trotz der verschärften Praxis noch immer im Sinne der humanitären Tradition der Schweiz entsprochen werde.

Neue Situation in Eritrea weckt Hoffnungen

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Am Wochenende haben Eritrea und Äthiopien ihr nachbarschaftliches Verhältnis in einem Freundschaftsvertrag geregelt. Der seit April amtierende äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed hatte das Ende der jahrzehntelangen Feindschaft beider ostafrikanischer Staaten eingeleitet. Eritrea gehörte bis zu seiner Unabhängigkeit 1993 zu Äthiopien. Fünf Jahre später brach ein Krieg zwischen den beiden Staaten aus, in dem Zehntausende Menschen ums Leben kamen und viele das Land verliessen. Zudem diente der Konflikt der Regierung als Grund, die Bevölkerung in den Nationaldienst zu zwingen. Die Ständeräte diskutierten auch, ob die neue Ausgangslage die Situation in Eritrea verbessern könne. Dazu sagte Sommaruga, dass sich das der Bundesrat sehr wünsche. Solche Veränderungen würden sich nach so langer Zeit allerdings nicht innerhalb von Wochen oder Monaten abzeichnen.

Abgelehnt wurde auch die Motion Geissbühler. Justizministerin Simonetta Sommaruga verneinte mangelnden Willen zu Verhandlungen mit der eritreischen Regierung und wies vielmehr darauf hin, dass der Bundesrat seit Jahren bestrebt sei, die diplomatischen Beziehungen zu und die Präsenz in Eritrea auszubauen.

Es sei aber auch eine Tatsache, dass Eritrea nicht bereit sei, über ein Rücknahmeabkommen zu diskutieren – nicht mit der Schweiz und auch nicht mit anderen Ländern wie zum Beispiel Deutschland.

Das Land akzeptiere keine unfreiwilligen Rückführungen. Ohne den Druck von Zwangsrückführungen sei aber auch die Motivation für eine freiwillige Rückkehr gering.

Motion rennt offene Türen ein

Oppositionslos angenommen hat der Ständerat hingegen die Motion von Damian Müller. Justizministerin Simonetta Sommaruga: «Wir kommen dem Anliegen eines Berichtes 2020 gerne entgegen.»

Starker Rückgang bei den Gesuchen aus Eritrea

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Bis Ende Juli 2018 wurden 1800 Asylgesuche aus Eritrea eingereicht, 2015 waren es noch 10'000 gewesen. Sommaruga vermutet die Gründe darin, dass die Fluchtroute über Nordafrika gefährlicher geworden ist. Auch die Praxisänderungen des SEM könnten Auswirkungen haben. Schliesslich seien andere europäische Zielstaaten für eritreische Asylsuchende in den Vordergrund gerückt, was die dort steigenden Gesuchszahlen zeigen würden.

Was die Überprüfung der vorläufig Aufgenommenen betrifft, so wies die Bundesrätin darauf hin, dass das Staatsekretariat für Migration (SEM) bereits tätig sei. Im Rahmen eines Pilotprojektes habe es zwischen Februar und Mai 2018 die vorläufige Aufnahme von etwa 250 Personen überprüft. Etwa 10 Prozent dieser Fälle hätten die Voraussetzungen für eine Aufhebung der vorläufigen Aufnahme und die Anordnung des Wegweisungsvollzugs erfüllt. Es habe sich aber um Personen gehandelt, die den Nationaldienst bereits vor der Flucht erfüllt hätten. Und allgemein läge die Aufhebungsquote von vorläufig Aufgenommenen bei knapp vier Prozent, wie die Überprüfung durch das SEM von 50'000 Fällen über 15 Jahre ergeben habe.

Die Überprüfung der restlichen 2800 vorläufigen Aufnahmen von Eritreern wird das SEM nun sofort angehen.

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