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Existenzsichernde Löhne Arbeitgeber-Direktor empört mit Aussage

Muss ein Vollzeitlohn zum Leben reichen? Nein, sagte Roland A. Müller in einer Kommissionssitzung. Die Kritik ist gross.

Darum geht's: Der Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Roland A. Müller, sorgt mit brisanten Aussagen darüber, wie viel Firmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zahlen sollen, für Aufsehen.

Müllers Aussagen: «Ein rein existenzsichernder Lohn ist nicht die Aufgabe der Arbeitgeber», sagte Müller gemäss Dokumenten, die «Blick» vorliegen. Die Aussagen fielen im Rahmen einer Anhörung der Wirtschaftskommission Ende März. Man könne von der Wirtschaft nicht verlangen, dass sie Existenzsicherung betreibe, erklärte Müller damals weiter. «Irgendwo hört es auf. Da muss dann schlussendlich die Sozialhilfe einspringen.» In der Frage gehe es um die wirtschaftspolitische Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberschaft.

Mann in Anzug bei einer Pressekonferenz.
Legende: Unternehmen würden die soziale Sicherheit über Unternehmenssteuern mitfinanzieren, so Arbeitgeber-Chef Müller. KEYSTONE / Lukas Lehmann

Die politischen Reaktionen: Hinter den Aussagen Müllers stecke ein Bild der Arbeitgeber als «gnädige Herren mit den milden Gaben», kritisiert SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (ZH) im «Blick». Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik der Gewerkschaft Travailsuisse, übt gegenüber SRF ebenfalls scharfe Kritik: «Die Aussage ist absolut erschreckend. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeitnehmenden, die dieses Land täglich am Laufen halten.» Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, erklärt gegenüber Radio SRF, Arbeit müsse sich lohnen. «Wo ist der Anreiz arbeiten zu gehen, wenn man weniger verdient, als die, die nicht arbeiten?», fragt er rhetorisch.

Reaktionen aus der Wirtschaft: Derzeit findet in Interlaken das Swiss Economic Forum statt. Mehrere Teilnehmer widersprechen gegenüber SRF den Aussagen Müllers. «Jeder Mensch sollte von der Arbeit leben können und nicht vom Staat abhängig sein», sagt eine Lokalpolitikerin gegenüber Radio SRF. «In der Schweiz sind wir in der Lage, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmenden von ihren Löhnen leben können», findet ein KMU-Vertreter. Ein weiterer SEF-Teilnehmer findet zwar, dass der Staat Unternehmen keine Vorschriften machen solle. Volkswirtschaftlich machten existenzsichernde Löhne jedoch für alle Sinn: «Jeder Arbeitgeber sollte inhärent ein Interesse daran haben, dass seine Mitarbeiter von ihrem Lohn leben können.»

Der Hintergrund der Aussagen: In der Sommersession entscheidet der Nationalrat darüber, ob der Bundesrat kantonale Mindestlöhne kippen kann – zumindest dann, wenn die Sozialpartner in einem Gesamtarbeitsvertrag tiefere Mindestlöhne aushandeln. Die Wirtschaftsverbände und die Bürgerlichen unterstützen das Anliegen, Linke und Gewerkschaften sind dagegen. Aktuell kennen lediglich fünf Kantone eigene Mindestlöhne zwischen 20 und 24.50 Franken pro Stunde. Wobei diese nur im Tessin und in Genf höher sind als die zwischen den Sozialpartnern ausgehandelten GAV-Löhne.

Frau mit Brille gestikuliert und spricht.
Legende: Mit Mindestlöhnen schaffe man gleich lange Spiesse, findet Jacqueline Badran (Nationalrätin SP/ZH). KEYSTONE / Til Buergy

So erklärt Müller seine Aussagen: Gegenüber Radio SRF bestätigt Roland A. Müller, die Aussagen getätigt zu haben. Er qualifiziert sie jedoch. Selbstverständlich sei es das Ziel der Unternehmen, existenzsichernde Löhne bezahlen zu können. Es könne aber nicht sein, dass der Staat diese Unternehmen dazu zwingt. «Was ich herausgestrichen habe, ist die Optik der Arbeitgeber. Die Löhne müssen verdient werden und das Unternehmen muss im Stand sein, die Löhne bezahlen zu können.» Die Sozialhilfe sei ein etabliertes Mittel, um Menschen in der Not zu helfen. Und an dieser beteiligten sich auch die Unternehmen mittels ihrer Steuerabgaben.

Echo der Zeit, 5.6.25, 18 Uhr ; 

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