Thierry Burkart will das Amt des FDP-Parteipräsidenten im Oktober abgeben. Genau an dem Tag, an dem die FDP-Delegierten darüber bestimmen werden, wie sich die FDP zu den EU-Verträgen positioniert. In dieser Frage mäandriert die FDP schon länger. Was haben die EU-Verträge mit diesem Rücktritt zu tun? Politologe Fabio Wasserfallen schätzt den Rücktritt unter diesem Blickwinkel ein.
SRF News: Burkart tritt genau in dem Moment zurück, in dem sich die FDP zu den EU-Verträgen positionieren will. Wie interpretieren Sie diesen Rücktritt?
Fabio Wasserfallen: Die FDP konnte sich bis jetzt nicht klar positionieren und wird das nun den Delegierten überlassen. Der bisherige Präsident hat sich aber kritisch gezeigt und wäre bei einem positiven Votum der Delegierten zu den EU-Verträgen vermutlich nicht der richtige Präsident gewesen. Insofern war das Timing nicht zufällig.
Wenn aus der Wirtschaftspartei grosse Skepsis kommt, dann wird es sehr schwierig sein, die Bevölkerung zu überzeugen.
Die FDP argumentiert, sie kenne noch nicht alle Details der EU-Verträge und könne sich deshalb nicht positionieren. Wieso ist es so schwierig für die Partei Stellung zu beziehen?
Es ist klar, was in diesen Verträgen steht. Natürlich sind sie noch nicht für alle öffentlich, aber die wesentlichen Bestandteile sind immer wieder durchgesickert und gerade die Parteipräsidien können sich schon länger ein gutes Bild davon machen. Die FDP ist gespalten. Es gibt Befürwortende und eine Gegnerschaft – es ist nicht so klar, in welche Richtung die Partei gehen wird. Das ist eine Zerreissprobe für die Partei. Die Frage ist aber nicht, ob die Details oder wichtigen Bestandteile der EU-Verträge bekannt sind oder nicht. Das scheint für die FDP die letzte Linie der Argumentation zu sein, um einen Entscheid möglichst hinauszuschieben.
Die FDP vertritt den Freisinn und die Wirtschaft. Sie setzt doch ein Zeichen, wenn sie sich in dieser Frage positionieren will?
Es geht genuin um Wirtschaftsinteressen, um die Personenfreizügigkeit und den Binnenmarktzugang – zentrale Fragen für die FDP. Auch für die Verträge ist die Positionierung der FDP zentral. Denn, wenn aus der Wirtschaftspartei und der Wirtschaft grosse Skepsis kommt gegenüber diesem Vertragswerk, dann wird es sehr schwierig sein, die Bevölkerung davon zu überzeugen.
Mit Blick auf das Kandidatenkarussell: Die Position zu diesen Verträgen wird vermutlich einer der wichtigsten Faktoren der Findungskommission?
Wenn die These stimmt, dass es nicht so klar ist, in welche Richtung sich die FDP bewegen wird, dann muss die Findungskommission eine Person setzen, die mit beiden Voten der Delegierten umgehen kann. Es muss also eine Person sein, die sowohl ein Nein, als auch ein Ja der Partei glaubwürdig vertreten kann. Das heisst, dass die Kandidatinnen und Kandidaten, die eine klare Meinung zu diesen Verträgen geäussert haben, eher nicht zum Zuge kommen werden. Ich gehe davon aus, dass die Position zu den EU-Verträgen bis in den Oktober eher unklar bleibt. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden sich wohl ziemlich bedeckt halten bis zum Schluss.
Das sind die möglichen Nachfolger von Thierry Burkart
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Bild 1 von 6. Damian Müller: Luzerner FDP-Ständerat. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Schneider.
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Bild 2 von 6. Susanne Vincenz-Stauffacher: St. Galler FDP-Nationalrätin. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
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Bild 3 von 6. Damien Cottier: Neuenburger FDP-Nationalrat und Fraktionspräsident. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
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Bild 4 von 6. Andri Silberschmidt: Zürcher FDP-Nationalrat. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Klaunzer.
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Bild 5 von 6. Christian Wasserfallen: Berner FDP-Nationalrat. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Klaunzer.
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Bild 6 von 6. Andrea Caroni: FDP-Ständerat für den Kanton Appenzell Ausserrhoden. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro della Valle.
Wen würden Sie als Favoriten oder Favoritin sehen?
Es könnte ein Vorteil für die FDP sein, dass sich die Partei bedeckt gehalten hat und sich nicht viele zu den EU-Verträgen geäussert haben. Als einer der wenigen hat sich Christian Wasserfallen relativ deutlich EU-skeptisch geäussert. Solche Leute stehen dann vermutlich nicht im Vordergrund, aber die meisten haben sich tatsächlich zurückgehalten und das bedeutet, dass ein grosser Teil derer, die genannt werden auch zur Verfügung stehen.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.