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FDP Schweiz und Pierre Maudet (Fast) alles richtig gemacht – und doch verloren

Politik ist eine Sache des Vertrauens. Wähler vertrauen den Kandidatinnen, die Stimmbürgerinnen den Parolen und den Argumenten, die Parteien ihren Mitgliedern. Und wie überall gilt auch in der Politik: Vertrauen aufbauen braucht Zeit und Geduld – Vertrauen verspielen geht ganz schnell.

Lange hat die FDP Genf ihrem Regierungsrat Pierre Maudet das Vertrauen ausgesprochen, auch als es in der Öffentlichkeit und auch bei der FDP Schweiz schon lange verbraucht war. Die Quittung in Form von massiven Verlusten kam bei den Nationalrats- und den Gemeindewahlen. Nun haben auch die Genfer reagiert – und haben Maudet aus der Partei ausgeschlossen. Warum sie so lange gebraucht haben, um zu diesem Schluss zu kommen, bleibt ihr Geheimnis.

Nationale Partei distanzierte sich schon früh

Im Gegensatz zur FDP Genf hat sich die FDP Schweiz schon recht früh und deutlich von Maudet distanziert. Bereits im November 2018 hatte der Parteivorstand Maudet einstimmig zum Rücktritt aufgefordert. FDP-Präsidentin Petra Gössi sprach damals von einem «Vertrauensbruch» durch Maudet.

Auch heute, nach dem Partei-Ausschluss von Maudet, kommentiert FDP-Präsidentin Gössi auf Anfrage von SRF unmissverständlich: «Pierre Maudet hat das Vertrauen der FDP Schweiz verloren (…). Die FDP hat sich mit viel Engagement dafür eingesetzt, zu zeigen, dass sie für die Schweiz und ihre Bewohner einsteht, und nicht für persönliche Bereicherungen. Diese Werte hat Pierre Maudet mit Füssen getreten. Er wird seiner Vorbildfunktion nicht gerecht.»

Vertrauensverlust auch für FDP Schweiz

Man kann festhalten: Die FDP Schweiz hat in der Causa Maudet fast alles richtig gemacht. Ausser, dass die Findungskommission, die Maudet 2017 zum Bundesrats-Kandidaten vorgeschlagen hatte, genauer hätte hinschauen sollen. Trotzdem steht sie als Verliererin da – ein Teil des Vertrauensverlustes durch Maudet bleibt an ihr hängen. So unschön das für die FDP ist, so ist es doch folgerichtig.

Man kann in der Politik die Parteien nicht von den Personen und nicht von den Argumenten trennen. Die FDP hatte lange davon profitiert, dass das «politische Wunderkind» Pierre Maudet hochgejubelt wurde. Jung und trotzdem schon mit vielen Erfahrungen, durchsetzungsstark und nahbar, kommunikativ begabt – das hatte auch auf die FDP abgefärbt.

Als Pierre Maudet dann seine politische Karriere zerstörte, hat er auch die FDP beschädigt. Besonders schwierig, auch kommunikativ, ist für die FDP, dass Maudet eine für die Partei zentrale und immer wieder zitierte Eigenschaft sträflich vermissen lässt: Eigenverantwortung.

Urs Leuthard

Leiter Bundeshausredaktion

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Seit Sommer 2020 ist Urs Leuthard Leiter der Bundeshausredaktion von Fernsehen SRF. Bereits seit 2002 moderiert er das «Abstimmungsstudio» und analysiert Wahlen und Abstimmungen. Bis 2008 war er Moderator und Redaktionsleiter der «Arena», danach wechselte er zur «Rundschau», bevor er 2012 die Redaktionsleitung der «Tagesschau» übernahm.

Hier finden Sie weitere Artikel von Urs Leuthard und Informationen zu seiner Person.

Tagesschau, 06.007.2020, 12:45 Uhr

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