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Fliegerschiessplatz Forel Munition im Naturschutzgebiet: Muss die Armee räumen?

Im Neuenburgersee liegen fast 5000 Tonnen Munition, teils sichtbar. Jetzt könnte die Armee verpflichtet werden, das Gebiet zu räumen. Wegen einer kaum beachteten Formulierung im Gesetz.

«Ich persönlich würde da nicht in die Nähe gehen», sagt die Neuenburger Ständerätin Céline Vara über das Gebiet Forel am Neuenburgersee. «Da liegen fast 5000 Tonnen Munition und es kann sein, dass ein Teil nicht explodiert ist.» Vara ist im Vorstand von Pro Natura, die Organisation setzt sich für die Bergung der Munition ein, die mitten im Naturschutzgebiet Grande Cariçaie liegt. Dieses sei zentral für die Biodiversität, argumentiert die Grünen-Politikerin: «Die Munition ist ein Risiko für Umwelt, aber auch für die Gesundheit.»

Sind die Altlasten «lästig»?

Forel ist ein Trainingsgebiet der Schweizer Luftwaffe. Das einzige, in dem sie auf bewegliche Ziele am Boden schiessen kann. Doch schon seit zwei Jahren wird nicht mehr geschossen, wie der «Sonntagsblick» jüngst berichtet hat. Bundesrätin Viola Amherd lässt überprüfen, ob die Armee auf das Gebiet verzichten kann. Bisher ging das Verteidigungsdepartement (VBS) davon aus: Wenn, dann würde man die Munition freiwillig räumen. Doch das könnte sich jetzt ändern.

Ursprünglich war eine Studie zum Schluss gekommen, dass die Munition nicht schädlich sei für die Umwelt. Allerdings zweifelten mehrere Kantone die Resultate an. Daraufhin liess das VBS ein externes Gutachten erstellen: Dort heisst es: «Insbesondere die berücksichtigte Tiefe der Sedimentschicht lässt gewisse Zweifel daran aufkommen, dass die Strategie der Probenentnahmen zur Erfüllung der Ziele der Studie geeignet ist».

Es gab es bisher noch keinen Fall, in dem dieses Kriterium angewandt wurde.
Autor: Lorenz Lehmann Rechtsanwalt spezialisiert auf Umweltrecht

Die Armee müsste also neue Proben nehmen. Doch bisher hat sie nicht damit begonnen. Grund dafür ist ein bisher wenig beachtetes Kriterium im Umweltrecht. Eine Altlast muss saniert werden, wenn sie «schädliche» oder «lästige» Einwirkungen hat. Nur: Was «lästig» bedeutet, ist laut Lorenz Lehmann, Rechtsanwalt spezialisiert auf Umweltrecht, nirgends genau geregelt. «Es gab bisher noch keinen Fall, in dem dieses Kriterium angewandt wurde.»

Räumung könnte zum Präzedenzfall werden

Das VBS vermutet, dass die Munition in Forel als «lästig» eingeschätzt werden könnte. Sie liegt teils im seichten Wasser und ist von Auge gut sichtbar – und das inmitten eines Naturschutzgebiets.

Bruno Locher, der Leiter Raum und Umwelt beim VBS, sagt auf Anfrage von SRF: «Das ist im Grunde genommen offensichtlich, dass das ‹lästig› sein könnte.» Im See gebe es aber auch Munitionsrückstände, die man nicht sehe. «Die Frage ist: Was sind die Kriterien, nach denen man das beurteilt und entscheidet, dass es sanierungspflichtig ist?» Das VBS hat nun das Bundesamt für Umwelt mit einer Prüfung beauftragt. Locher sagt: «Wenn man zum Schluss kommt, dass diese Altlast ‹lästig› ist, dann müsste man die Munitionsrückstände oder einen Teil davon räumen.»

Munition auf dem Boden des Neuenburgersees (Bild: 30.03.2021)
Legende: Die Munition auf dem Boden des Neuenburgersees ist von Auge gut sichtbar. (Bild vom 30.03.2021) KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi

Ein Vergleich mit Mitholz, dem ehemaligen Munitionslager im Berner Oberland, lässt sich gemäss Locher nicht ziehen. Dort liegen 3000 Tonnen Munition im Berg verschüttet, deren Bergung fast 2.6 Milliarden Franken kosten soll. Bei Forel liegt auf dem Seegrund noch mehr Munition, allerdings dürfte das Risiko, dass sie noch explosiv ist, geringer sein.

Taucher der Armee am Neuenburgersee bei Forel (FR) (Bild: 30.03.2021)
Legende: Ein Taucher der Armee am Neuenburgersee bei Forel im Kanton Freiburg. (Bild vom 30.03.2021) KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi

Das VBS will bis Ende März kommunizieren, wie es mit Forel weitergehen soll. Muss der Standort saniert werden, dürfte das auch Konsequenzen für andere Altlasten haben. Experte Lehmann sagt: «Wenn eine Verwaltungsinstanz oder sogar ein Gericht zum ersten Mal zum Schluss kommen würde, dass die Einwirkungen an einem Standort ‹lästig› sind, dann könnte das schon als Präzedenzfall dienen.»

Weitere Munitions-Funde

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Im Thunersee, Brienzersee und im Vierwaldstättersee liegt ebenfalls Munition – laut VBS rund 8000 Tonnen. Sie ist tendenziell weniger gut sichtbar als in Forel. Trotzdem stellt sich auch dort die Frage, ob die Munitionsreste als «lästig» eingeschätzt werden könnten.  

10vor10, 23.02.2023, 21:50 Uhr

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