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Gefährliche Entwicklung Mit Detektivarbeit gegen Medikamentenfälscher

Weltweit werden immer mehr Medikamente gefälscht. So echt, dass Fälschungen erst im forensischen Labor erkannt werden.

«Sie werden immer besser. Auf den ersten Blick würde ich die Fälschung auch nicht erkennen. Die Tablette ist wirklich sehr gut nachgeahmt.» Stéphanie Beer ist ausgebildete Kriminal­wissenschaft­lerin. Sie arbeitet als Forensische Chemikerin bei der Firma MSD im luzernischen Schachen.

Die weltweit tätige Pharmafirma hat hier ein Forschungszentrum aufgebaut. Seit einigen Jahren gibt es ein Team, welches verdächtige Medikamente auf ihre Echtheit untersucht.

Orginal oder Fälschung?

Der Augenschein vor Ort zeigt: Im forensischen Labor läuft es ein bisschen wie beim «Tatort»: Mit Schutzbrille, Handschuhen, Mikroskop und Spektroskop versuchen die Forensiker zu erkennen, ob ein Medikament gefälscht oder original ist.

Schäden und unerwünschte Nebenwirkungen

Denn: Die Entwicklung mit illegalen Arzneimitteln ist beunruhigend. Gemäss Schätzungen der Schweizerischen Heilmittelanstalt Swissmedic ist weltweit jedes zehnte Medikament gefälscht. Das birgt Risiken für die Patientinnen und Patienten.

Wenn in einem Krebsmittel kein Wirkstoff drin ist, dann ist das sehr schlimm für den Patienten.
Autor: Stéphanie Beer Forensische Chemikerin bei der Firma MSD

Stéphanie Beer sagt dazu: «Man weiss nicht, was im Medikament drin ist. Ist bei einer Tablette gegen Kopfschmerzen nur Zucker drin – dann hat der Patient immer noch Kopfschmerzen.» Seien zusätzlich gefährliche Substanzen drin, könne es zu unangenehmen Wirkungen kommen.

Und noch viel Schlimmeres hat sie schon gesehen: «Wenn in einem Krebsmittel kein Wirkstoff drin ist, dann ist das sehr schlimm für den Patienten.» Die Erfahrung zeige: Zirka die Hälfte der untersuchten Medikamente weise schwere Qualitätsmängel auf, was zu unerwünschten Nebenwirkungen führe.

So läuft die Überprüfung der Medikamente ab

Hergestellt werden die Fälschungen selten in der Schweiz. Es sind meistens Medikamente, die im Internet bestellt werden und in Paketen in die Schweiz gelangen.

Hauptproblem: Bestellungen im Internet

Das bestätigt Ruth Mosimann von der Heilmittelbehörde Swissmedic. Etwa 20'000 illegale Sendungen mit Medikamenten gelangen pro Jahr in die Schweiz. Mosimann leitet die Kontrollen: «Die Kriminellen, welche die gefälschten Arzneimittel herstellen, suchen gezielt Schwachstellen in der Vertriebskette. Beliebt ist etwa, die gefälschten Produkte auf den sozialen Medien oder in Online-Apotheken zu verkaufen.» Dieser Trend nehme stetig zu.

Blick ins Labor. Rechts und links arbeiten Menschen mit weissen Kitteln.
Legende: Mehrere Mitarbeitende untersuchen im Labor in Schachen die Medikamente. SRF

Gemäss Mosimann sind es oft Lifestyle-Medikamente, die bei dubiosen Quellen im Internet bestellt werden. Beispiele sind Abnehmpillen oder Potenzmittel. Produkte, die man nicht gerne in einer regulären Apotheke kauft. Mosimann betont deshalb auch: «Die Gefahr, in Schweizer Spitälern und den bekannten und seriösen Apotheken gefälschte Medikamente zu erhalten, ist sehr gering.»

Pharmafirmen fürchten um ihren Ruf

Das forensische Labor in Schachen hat schon sehr unterschiedliche gefälschte Medikamente entdeckt. Neben Lifestyle-Produkten würden auch Diabetes- oder Krebsmedikamente gefälscht. Medikamente der Tiermedizin seien ebenfalls beliebt für Fälschungen.

Es drohen nur milde Strafen

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Wird ein Produkt als Fälschung entlarvt, arbeitet die Firma MSD mit den Behörden zusammen und gibt die Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden weiter. Was sich zeigt: Die Strafen, die Medikamentenfälschern drohen, sind relativ gering. Die Kriminellen können nur markenrechtlich verfolgt werden. Verurteilt werden sie wegen Produktfälschung – da sind die Strafen viel tiefer als etwa beim Drogenhandel.

Strafverfolgung anspruchsvoll

«Wir sind daran, das Strafmass für die Fälscher zu erhöhen», sagt Ruth Mosimann, Leiterin Kontrolle illegale Arzneimittel bei Swissmedic. Doch die Strafverfolgung sei anspruchsvoll, weil die Fälschungen hauptsächlich im Ausland hergestellt werden. In Europa gebe es zwar wirksame Abkommen zur Verfolgung der Täter. Die Zusammenarbeit mit einigen Hotspots der Medikamentenfälscher ausserhalb Europas sei aber schwierig.

Mosimann nennt keine Namen, doch ein Blick in die Statistiken zeigt: Weit oben sind Länder wie China, Irak, Mexiko oder afrikanische Staaten.

Die Firma MSD betreibt ihr forensisches Labor auch aus eigenem Interesse. «Sind viele gefälschte Produkte einer Firma auf dem Markt, leidet der Ruf», sagt Stéphanie Beer. «Die Patienten würden unseren Medikamenten nicht mehr vertrauen.» Sagt es und nimmt die nächste verdächtige Packung zur Hand – immer mit dem Ziel, den Fälschern das Handwerk zu legen.

10vor10, 25.7.2025, 21:50 Uhr ; 

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