«Sie werden immer besser. Auf den ersten Blick würde ich die Fälschung auch nicht erkennen. Die Tablette ist wirklich sehr gut nachgeahmt.» Stéphanie Beer ist ausgebildete Kriminalwissenschaftlerin. Sie arbeitet als Forensische Chemikerin bei der Firma MSD im luzernischen Schachen.
Die weltweit tätige Pharmafirma hat hier ein Forschungszentrum aufgebaut. Seit einigen Jahren gibt es ein Team, welches verdächtige Medikamente auf ihre Echtheit untersucht.
Orginal oder Fälschung?
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Bild 1 von 5. Diese Tablette ist das Original ... Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 5. ... so sieht die Fälschung aus. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 5. Bei der Original-Packung ist der Druck deutlich ... Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 5. ... bei der Fälschung ist er blasser. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 5. Links die Originalschachtel, rechts die Fälschung – der Unterschied ist kaum erkennbar. Bildquelle: SRF.
Der Augenschein vor Ort zeigt: Im forensischen Labor läuft es ein bisschen wie beim «Tatort»: Mit Schutzbrille, Handschuhen, Mikroskop und Spektroskop versuchen die Forensiker zu erkennen, ob ein Medikament gefälscht oder original ist.
Schäden und unerwünschte Nebenwirkungen
Denn: Die Entwicklung mit illegalen Arzneimitteln ist beunruhigend. Gemäss Schätzungen der Schweizerischen Heilmittelanstalt Swissmedic ist weltweit jedes zehnte Medikament gefälscht. Das birgt Risiken für die Patientinnen und Patienten.
Wenn in einem Krebsmittel kein Wirkstoff drin ist, dann ist das sehr schlimm für den Patienten.
Stéphanie Beer sagt dazu: «Man weiss nicht, was im Medikament drin ist. Ist bei einer Tablette gegen Kopfschmerzen nur Zucker drin – dann hat der Patient immer noch Kopfschmerzen.» Seien zusätzlich gefährliche Substanzen drin, könne es zu unangenehmen Wirkungen kommen.
Und noch viel Schlimmeres hat sie schon gesehen: «Wenn in einem Krebsmittel kein Wirkstoff drin ist, dann ist das sehr schlimm für den Patienten.» Die Erfahrung zeige: Zirka die Hälfte der untersuchten Medikamente weise schwere Qualitätsmängel auf, was zu unerwünschten Nebenwirkungen führe.
So läuft die Überprüfung der Medikamente ab
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Bild 1 von 5. Medikamente, die überprüft werden, werden entweder vom Zoll beschlagnahmt, oder kommen direkt von Hausärztinnen oder Patienten. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 5. Die potentiellen Fälschungen gelangen ins Labor, wo sie forensische Chemikerinnen und Chemiker untersuchen. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 5. Fälschungen lassen sich nicht nur an falschen Wirkstoffen erkennen, sondern bereits an ihrem Aussehen. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 5. Oft enthalten die gefälschten Medikamente Wirkstoffe, die schädlich sind. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 5. Die Linien zeigen klar: Fälschung und Original sind unterschiedlich zusammengesetzt. Bildquelle: SRF.
Hergestellt werden die Fälschungen selten in der Schweiz. Es sind meistens Medikamente, die im Internet bestellt werden und in Paketen in die Schweiz gelangen.
Hauptproblem: Bestellungen im Internet
Das bestätigt Ruth Mosimann von der Heilmittelbehörde Swissmedic. Etwa 20'000 illegale Sendungen mit Medikamenten gelangen pro Jahr in die Schweiz. Mosimann leitet die Kontrollen: «Die Kriminellen, welche die gefälschten Arzneimittel herstellen, suchen gezielt Schwachstellen in der Vertriebskette. Beliebt ist etwa, die gefälschten Produkte auf den sozialen Medien oder in Online-Apotheken zu verkaufen.» Dieser Trend nehme stetig zu.
Gemäss Mosimann sind es oft Lifestyle-Medikamente, die bei dubiosen Quellen im Internet bestellt werden. Beispiele sind Abnehmpillen oder Potenzmittel. Produkte, die man nicht gerne in einer regulären Apotheke kauft. Mosimann betont deshalb auch: «Die Gefahr, in Schweizer Spitälern und den bekannten und seriösen Apotheken gefälschte Medikamente zu erhalten, ist sehr gering.»
Pharmafirmen fürchten um ihren Ruf
Das forensische Labor in Schachen hat schon sehr unterschiedliche gefälschte Medikamente entdeckt. Neben Lifestyle-Produkten würden auch Diabetes- oder Krebsmedikamente gefälscht. Medikamente der Tiermedizin seien ebenfalls beliebt für Fälschungen.
Die Firma MSD betreibt ihr forensisches Labor auch aus eigenem Interesse. «Sind viele gefälschte Produkte einer Firma auf dem Markt, leidet der Ruf», sagt Stéphanie Beer. «Die Patienten würden unseren Medikamenten nicht mehr vertrauen.» Sagt es und nimmt die nächste verdächtige Packung zur Hand – immer mit dem Ziel, den Fälschern das Handwerk zu legen.