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Gefahr Antibiotika-Resistenzen BAG verstärkt Kampf gegen Superkeime

«Nutze sie richtig, es ist wichtig»: Der Bund mahnt zur Vorsicht bei Antibiotika und sieht Erfolge beim Mensch und Tier.

Wer in den kommenden Wochen Fernsehen schaut, an Plakatwänden vorbei geht oder im Internet surft, wird diesem Slogan immer wieder mal begegnen: «Nutze sie richtig, es ist wichtig».

300 Tote pro Jahr

Gemeint sind die Antibiotika. Medikamente, die ein Segen sind, weil sie Krankheiten heilen können, die früher oft tödlich verlaufen sind. Aber auch ein Fluch, weil sie zu Bakterienresistenzen führen, die tödliche Folgen haben können. In der Schweiz sterben pro Jahr fast 300 Menschen an den Folgen dieser Resistenzen, wie neue Berechnungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zeigen.

Grosse Fortschritte bei den Tieren

Im ersten Jahr der 2015 lancierten «Nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen» haben die Behörden deshalb gezielt Fachleute angesprochen, im zweiten Jahr dann Patienten und Landwirte, um den Konsum von Antibiotika zu reduzieren.

Offenbar mit Erfolg. Im Bereich der Veterinärmedizin habe sich der Verbrauch innerhalb von zehn Jahren halbiert, freut sich der Direktor des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Hans Wyss: «Bei Tierhaltern, aber vor allem auch bei Tierärzten ist ein Bewusstsein entstanden, dass man zur Wunderwaffe Antibiotika Sorge tragen muss.»

Zunahme bei Resistenzen gibt Rätsel auf

Ungeachtet dessen haben die Resistenzen im gleichen Zeitraum allerdings sogar noch zugenommen. Das könne man sich noch nicht schlüssig erklären, sagt Wyss. Umso wichtiger sei es, dass man weitere Massnahmen umsetze: Ab nächstem Jahr müssen Verschreibungen in der Tiermedizin in einem Informationssystem erfasst werden. Die erfolgreichste Strategie aber sei die Prävention, meint der Amtsdirektor: «Tiere müssen unter möglichst guten Bedingungen aufwachsen können.

Langsamere Entwicklung im Humanbereich

Etwas weniger erfolgreich ist die Strategie Antiobiotika-Resistenzen bisher beim Menschen. In den letzten drei Jahren sind die Verschreibungen im ambulanten Bereich um fünf Prozent zurückgegangen, im stationären Bereich um zehn Prozent. Das genüge noch nicht, sagt BAG-Direktor Strupler: «Strassenumfragen zeigen, dass die Menschen relativ wenig wissen. Es ist wichtig, dass sie dem Arzt die richtigen Fragen stellen können.»

Pilotprojekt: Abgabe von kleineren Dosierungen

Die heute lancierte nationale Kampagne setzt genau hier an: Im Internet, mit Broschüren und Veranstaltungen soll die Bevölkerung weiter aufgeklärt werden. Das BAG will ab Mitte des nächsten Jahres in zwei Kantonen ein Pilotprojekt starten. Dabei sollen Ärzte Antibiotika auch einzeln statt in grossen Packungen abgeben können.

Multiresistente Keime – Daueraufgabe aller Spitäler

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Hansjakob Furrer, Chef-Infektiologe Berner Inselspital
Legende: SRF

Bakterien, gegen die fast kein Antibiotikum wirkt, können bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem tödlich wirken. Einmal entdeckt, sind umfangreiche Massnahmen nötig, um das Übel wieder loszuwerden, wie Hansjakob Furrer, Chef-Infektiologe am Berner Inselspital, erklärt.

SRF News: Wie gross ist das Problem multiresistenter Keime in Schweizer Spitälern?

Hansjakob Furrer: Glücklicherweise noch nicht riesig. Aber es wächst weltweit extrem schnell, und die Schweiz ist keine Insel mit den vielen Touristen. Dazu kommen viele Patienten aus ausländischen Spitälern. Bei ihnen ist die Gefahr massiv höher, dass sie multiresistente Keime in sich tragen.

Gibt es in der Schweiz Spitäler ohne multiresistente Keime.

Ich gehe davon aus, dass es keine solchen Spitäler gibt. Die relativ häufige Resistenz von ESBL-Antibiotika (Darmbakterien) gibt es in allen Spitälern und auch in den meisten Arztpraxen.

Was machen Sie bei einem Notfall-Patienten aus Indien, wo Antibiotika-Resistenzen weit verbreitet sind?

Hier wird mit dem Notfall abgeklärt, ob der Patient aus einem Hochrisikogebiet oder einem Krankheitssetting kommt. Er wird isoliert und auf Keime im Darm und auf der Haut getestet. Wenn er positiv ist, bleibt er isoliert, je nach Keim in einem Einzelzimmer und mit separater Toilette während des ganzen Aufenthalts.

Wichtig: Wenn ein Mensch Bakterien in sich trägt, ist er deswegen nicht zwingend krank. Wird er aber krank, müssen wir wissen, welche Antibiotika noch wirken. Je häufiger der Einsatz von Breitbandantibiotika, desto grösser ist die Gefahr, dass der Resistenzdruck für alle Bakterien im Spital ansteigt.

Im Inselspital wurde der Keim VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) eingeschleppt. Was ist das grosse Problem?

VRE ist nicht extrem schwierig zu behandeln. Mindestens drei Antibiotika wirken gut. Allerdings bemerkt man VRE kaum, da er nur ganz selten krank macht. Man muss also suchen. Dabei sind wir auf eine bestimmte Anzahl VRE gestossen. Die Standardhygiene-Massnahmen werden nun noch strikter eingehalten. Flächendeckende Tests von Multiresistenzen bei Spitalpatienten sind zwar aus Kostengründen nicht sinnvoll. Trotzdem testet das Inselspital zurzeit seine Patienten wegen VRE fast flächendeckend.

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