Derzeit leben fast 67'000 Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S in der Schweiz. Sie haben den Aufenthaltstitel erhalten, weil in ihrem Heimatland Krieg herrscht. Wie die «Sonntagszeitung» berichtet, vergibt der Bund den Schutzstatus inzwischen nicht mehr so einfach wie zu Kriegsbeginn.
«Wir haben bis heute etwa 2500 Gesuche nicht angenommen, also abgelehnt», sagt Daniel Bach, Mediensprecher beim Staatssekretariat für Migration (SEM). Grund dafür sei, dass viele dieser betroffenen Ukrainerinnen und Ukrainer aus anderen europäischen Staaten kämen, wo sie bereits eine Schutzalternative erhalten hätten und wohin sie zurückkehren könnten.
Die Zahlen des SEM zeigen: Zu Beginn des Krieges war die Quote der abgelehnten Schutzgesuche kleiner als zuletzt. Schauen die Behörden also genauer hin? Mediensprecher Bach widerspricht: «Wir haben immer sehr genau hingeschaut. Aber vor zwei Jahren kamen die Leute wirklich sehr offensichtlich noch direkt aus der Ukraine. Das ist jetzt nicht mehr immer der Fall.» Damit würden auch die Verfahren aufwändiger.
Schweiz geniesst guten Ruf
Seit über zwei Jahren herrscht in der Ukraine Krieg. Margarita Antoni vom Ukrainischen Verein in der Schweiz beobachtet, dass viele Geflüchtete mit Kindern inzwischen davon ausgehen würden, dass sie nicht in ihr Heimatland zurückkehren können. «Typischerweise müssen sich dann alle Eltern die Frage stellen: ‹Was heisst das langfristig?›», sagt Antoni.
Die Geflüchteten würden die bestmögliche Option für die eigene Familie suchen, so Antoni. Und das sei für viele die Schweiz. «Die Schweiz ist ein sicheres Land und sie hat einen sehr guten Ruf in Bezug auf das ganze System.» Sei es mit Blick auf den Zugang zum Arbeitsmarkt, die Integration der Kinder in der Schule oder kostenlose Sprachkurse.
Schutzstatus S unter Druck
Andererseits spüren die Menschen aus der Ukraine, dass der Schutzstatus S unter Druck gerät. «Irgendwann muss das wahrscheinlich zu Ende gehen. Sie werden uns nicht zu lange halten», sagt Pawlo Dlaboha und meint mit «sie» die Schweiz und die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer.
Pawlo Dlaboha ist Schweizer Bürger und Sohn ukrainischer Eltern. Der Musiklehrer in Luzern lebt seit Ende der 1960er Jahren in der Schweiz. Zudem ist er im Vorstand der Ukrainischen Gesellschaft der Schweiz. Dlaboha spürt, dass Teile der Schweiz ablehnender geworden seien, sagt er. «Sehr viele denken: ‹Wir haben genug getan. Wir glauben, dass es langsam reicht.›»
Unbehagen bei Geflüchteten wächst
Dlaboha hat ein feines Gespür für die Menschen hier und die Geflüchteten. Deren Gefühlslage derzeit beschreibt er so: «Es ist ein Unbehagen für die Menschen, die hier sind.» Dieses Unbehagen sei gekoppelt mit der Unsicherheit, was die eigene Zukunft angeht. Was wird aus meiner Heimat, in der Krieg herrscht? Und dieses Unbehagen könne durch Dinge weiter genährt werden, die hier in der Schweiz passieren.
Für Unbehagen sorgen zum Beispiel Entscheide des Ständerats. Im Juni hatte er zwei Vorstösse angenommen, die den Schutzstatus S einschränken wollen. Ausserdem dauern die Verfahren inzwischen viel länger. Schliesslich hat der Schutzstatus S auch ein Ablaufdatum: Er gilt vorerst bis März 2025. Auch das sorgt für Unsicherheit.