Vielerorts beginnen schon die Sommerferien, doch so manche Schulleitungen haben noch alle Hände voll zu tun. Denn: landauf, landab werden Lehrerinnen und Lehrer händeringend gesucht. Allein im Kanton Zürich fehlen aufs neue Schuljahr hin mehrere hundert Lehrpersonen. Pensionierungen und die Zunahme von Schülern führen unter anderem zu den Engpässen an der Unterrichtsfront.
Gleicher Lohn auf allen Stufen
Auf der Suche nach Lösungen könnte sich ein Blick über den Röstigraben lohnen. So scheint der Kanton Genf den Mangel besser im Griff zu haben als andere. Die Schulen müssen weniger häufig auf Personal mit gar keiner oder ungenügender Ausbildung zurückgreifen. Wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen, muss der Kanton Zürich bei 7.5 Prozent der Klassenlehrpersonen auf nicht voll qualifizierte Leute setzen. Im Kanton Genf sind nur 5.1 Prozent der Klassenlehrpersonen nach kantonalen Vorgaben nicht voll qualifiziert.
Doch weshalb dieser Unterschied? Genf macht einiges anders. Zum Beispiel beim Lohn. Egal ob Kindergarten, Sekundarstufe oder Berufsschule: Die Lehrpersonen erhalten in etwa denselben Lohn. Das wünscht sich die Präsidentin des Schweizer Lehrerinnen und Lehrerverbandes auch für andere Kantone. Dagmar Rösler sieht darin eine hohe Wertschätzung gegenüber Lehrpersonen, die kleine Kinder unterrichten. Die Massnahme könne aber auch bewirken, dass die Konkurrenz unter den verschiedenen Stufen kleiner wird.
Keine Mini-Pensen
Ein zweiter Unterschied ist das Arbeitspensum: Genfer Lehrpersonen sind verpflichtet, mindestens 50 Prozent zu arbeiten. Tiefere Pensen werden vom Kanton gar nicht erst ausgeschrieben. Dies habe sich bewährt, sagt Céline Merad-Malinverni, Personalchefin im Genfer Bildungsdepartement. Die durchschnittliche Lehrperson im Kanton habe ein 80-Prozent-Pensum. «Die Lehrpersonen können so besser in die Schule integriert werden und stärker am Schulleben teilnehmen», sagt Merad-Malinverni.
Die Folge: In Genf arbeiten an obligatorischen Schulen 52 Prozent des Lehrpersonals fast Vollzeit, also in einem Pensum über 90 Prozent. Zum Vergleich: Im Kanton Zürich sind es nur 25 Prozent. Lehrpersonen, die ihr Pensum erhöhen, könnten helfen, den Lehrermangel zu entschärfen. So kommt der aktuelle Bildungsbericht zum Schluss, dass das prognostizierte Wachstum der Schülerschaft sich bewältigen liesse, wenn die Lehrpersonen ihren durchschnittlichen Beschäftigungsgrad um 10 Prozentpunkte erhöhten.
Doch wie könnte dies erreicht werden? Für Lukas Lehmann, Bildungswissenschaftler an der Hochschule Luzern, ist eine Mindestpensen-Pflicht wie in Genf der falsche Weg. Viel spannender sei die Frage, wie die Lehrpersonen freiwillig dazu gebracht werden könnten, ihr Pensum zu erhöhen.
Ausbildung an der Uni
Der Experte schlägt vor, die Ausbildung zu verbessern. Auch in diesem Punkt geht Genf einen Sonderweg. Als einziger Kanton der Schweiz bildet Genf seine Lehrpersonen an der Universität aus. Dort dauert die Ausbildung zur Primarlehrerin vier Jahre – ein Jahr länger als an einer Pädagogischen Hochschule. 20 Prozent der Studierenden auf Primarstufe machen einen Master, wie Céline Merad-Malinverni sagt. Trotzdem blieben die meisten dann auf dem Beruf, weil sie besser vorbereitet seien und bessere Entwicklungsmöglichkeiten hätten. Dies mache die Ausbildung attraktiver.
Die Aufwertung des Lehrberufs durch Verlängerung des Studiums ist auch eine Forderung des Lehrerinnen- und Lehrerverbands. Der Bildungswissenschaftler sieht einen Master für alle kritisch, sieht aber auch Potenzial. Ein Master für alle müsse berufsbegleitend stattfinden.