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Geheimes soll geheim bleiben Ständerat fordert Massnahmen gegen Bundesrat-Leaks

Die Indiskretionen aus dem Bundeshaus haben während der Pandemie zugenommen. Die Mehrheit des Ständerates will nun Massnahmen gegen Leaks ergreifen.

«So kann es nicht weiter gehen», sagt Ständerat Benedikt Würth (Mitte/SG). «Man muss hier klar von einem System von Indiskretionen sprechen.» Seit der Corona-Pandemie schlagen Medien fast im Wochentakt Informationen aus der inneren Mechanik des Bundeshauses breit, die eigentlich nie hätten öffentlich werden sollen.

Lecks bei den Mitarbeitenden?

Mit einer Motion will Würth den Whistleblowern nun einen Schuss vor den Bug geben. Sein Vorstoss wurde am Dienstag im Ständerat mit 29 zu 15 Stimmen deutlich angenommen.

Würth vermutet zum Beispiel grössere Informationslecks in den Stäben der Departemente, also bei den engsten Mitarbeitenden der Bundesrätinnen und -räte. «Ich habe die Befürchtung, dass dort viele Informationen an die Medien rausgehen, die eigentlich nicht rausgehen sollten.»

Anzeigen gegen unbekannt

Auch der Bundesrat stellt fest, dass es in letzter Zeit vermehrt Indiskretionen gab. Jedoch kann er darin kein System erkennen. «Die Anzahl der Indiskretionen hängt insbesondere von der Anzahl ‹brisanter›, für die breite Öffentlichkeit im Fokus stehender Themen ab», schreibt er in seiner Antwort auf Würths Vorstoss.

Symbolbild: Die Bundesrätinnen und Bundesräte im Bundesratszimmer.
Legende: Was der Bundesrat geheim halten will, soll auch geheim bleiben. Keystone

«Die Coronakrise und die damit verbundenen Folgen für die ganze Gesellschaft können eine Erklärung für die höhere Anzahl von Indiskretionen sein.» Wegen der aus Bundesratssitzungen gesickerten Informationen über Corona-Massnahmen hat der Bundesrat eine Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen Unbekannt eingereicht.

Zudem prüft er laut Bundeskanzler Walter Thurnherr eine weitere Anzeige: Im Mai wurde SRF ein geheimes Papier zugespielt, in dem die Folgen eines Scheiterns des Rahmenabkommens mit der EU aufgelistet sind.

Quellen bleiben meist unbekannt

Wer geheime Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich macht und etwa das Amtsgeheimnis verletzt, kann mit Gefängnis bis zu drei Jahren verurteilt werden – und riskiert die Kündigung.

Ständerat Würth verlangt, dass der Bundesrat in einem Bericht ans Parlament die Zahl und den Inhalt von Indiskretionen erfasst und Massnahmen trifft, um mehr Informanten aufzudecken.

Was laut Bundesrat schwierig werden dürfte: Die Quelle der Indiskretionen könne in den meisten Fällen nur vermutet werden – schliesslich können sich Journalistinnen und Journalisten auf den Quellenschutz berufen. Es seien in den letzten Jahren zwar mehrere Anzeigen eingereicht worden, allerdings kam es zu keiner einzigen Verurteilung.

Prävention durch Offenlegung?

Das Ansinnen des Ständerats hält Investigativ-Journalist Martin Stoll für den falschen Weg – er ist gleichzeitig Geschäftsführer des Vereins «Öffentlichkeitsgesetz.ch». «Indiskretionen sind ein Ventil. Sie treten immer dort auf, wo zu wenig gut kommuniziert wird.»

Anstatt mit schärferen Sanktionen gegen Whistleblower oder Medienschaffende vorzugehen, solle man das in der Schweiz geltende Öffentlichkeitsprinzip besser umsetzen. «Wenn die wichtigen Fakten und Papiere auf den Tisch kommen und öffentlich sind, dann gibt es auch weniger Indiskretionen.»

Tatsächlich hat der Entscheid des Ständerats die Diskussion erst eröffnet. Vermutlich im Herbst wird der Nationalrat sich dem Thema annehmen.

10vor10, 08.06.2021, 21:50 Uhr

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