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Gewalt gegen Frauen Zürich will Frauen besser vor Gewalt schützen

Der Kanton Zürich will den Gewaltschutz ausbauen. Frauenberatungsstellen fordern auch eine Revision des Sexualstrafrechts.

Es war Mitte März, als der Fall von Sarah Everard auf der ganzen Welt Schlagzeilen machte. Die 33-jährige Londonerin war auf dem Heimweg entführt und ermordet worden. Ihr gewaltsamer Tod löste weltweit Debatten über die Sicherheit von Frauen aus.

Gewalt gegen Frauen ist auch in der Schweiz keine Randerscheinung – im Gegenteil. Das zeigen beispielsweise die Zahlen der Kriminalstatistik 2020 des Kantons Zürich.

Die Anzeigen wegen Vergewaltigungen haben ebenfalls um einen Drittel zugenommen. Etwa jede dritte Vergewaltigung fand im Rahmen von häuslicher Gewalt statt.

Vor diesem Hintergrund hat die Regierung des Kantons Zürich angekündigt, verstärkt gegen Gewalt an Frauen vorzugehen. Gleichzeitig ist der Kanton aber auch von Gesetzes wegen dazu verpflichtet. Denn er muss die sogenannte «Istanbul-Konvention» umzusetzen, welche Frauen besser vor Gewalt schützen soll.

Was besagt die «Istanbul-Konvention»?

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Die Istanbul-Konvention ist ein internationales Übereinkommen, welches sich die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zum Ziel gesetzt hat. Erarbeitet wurde die Istanbul-Konvention vom Europarat; in der zuständigen Arbeitsgruppe war die Schweiz ebenfalls vertreten. Seit dem 1. April 2018 ist dieses Übereinkommen auch hierzulande in Kraft. Damit verpflichtet sich die Schweiz zu umfassenden Massnahmen gegen geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt sowie für die Gleichstellung der Geschlechter. In weiten Teilen sind die Kantone für die Umsetzung der Konvention zuständig.

Der Kanton will aber nicht nur die Opfer besser schützen, er setzt schon heute bei den Tätern an. Zum Beispiel mit sogenannten «Lernprogrammen», einem Schwerpunkt in der Präventionsarbeit. Dort lernen Täter, Krisen konstruktiv zu bewältigen. In jedem Verfahren prüft heute die Staatsanwaltschaft obligatorisch eine Anmeldung zu einem solchen Programm.

Was hat der Kanton Zürich bis jetzt unternommen?

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Der Kanton Zürich sieht sich in einer Vorreiterrolle: So wurde zum Beispiel der polizeiliche Gewaltschutzdienst oder die Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt in den letzten Jahren personell aufgestockt. Opferberatungsstellen und Frauenhäuser erhielten mehr finanzielle Mittel, die Kampagne «Stoppt Gewalt gegen Frauen» wurde lanciert oder Programme geschaffen, welche die Gewaltbereitschaft potentieller Täter senken sollen.

Mit der Umsetzung der «Istanbul-Konvention» will der Zürcher Regierungsrat seine Massnahmen nun ausweiten. Unter anderem ist Folgendes geplant:

  • Die Kampagne «Stoppt Gewalt gegen Frauen» soll neu auch auf die Gewalt gegen Frauen im öffentlichen Raum fokussieren und nicht nur auf häusliche Gewalt.
  • Die Massnahmen sollen alle Opfer von Gewalt noch besser schützen, unabhängig von deren Geschlecht.
  • Der Kanton prüft, ob alle Personen gleichermassen Zugang zur Opferhilfe haben; auch LGBTIQ-Personen, Menschen mit Behinderungen oder solche mit Migrationshintergrund.

Vergewaltigung, ein fast straffreies Delikt

Der Kanton Zürich sei auf dem richtigen Weg, sagt Corina Elmer, Geschäftsleiterin der Frauenberatung sexuelle Gewalt in Zürich, einer vom Kanton Zürich anerkannten Opferberatungsstelle. Sie sehe zum Beispiel die Bemühungen der Polizei und Staatsanwaltschaft, welche die fachlichen Kompetenzen im Umgang mit traumatisierten Opfern verbessert hätten.

Dennoch würden nur etwa zehn Prozent der Frauen Anzeige erstatten, wenn sie sexuelle Gewalt erlebten. Und nur wenige Täter würden tatsächlich zur Rechenschaft gezogen: «Zu Vergewaltigung kann man eigentlich sagen: Es ist ein fast straffreies Delikt», so Elmer. Das Problem: Es handelt sich um ein Vier-Augen-Delikt. Der Staat muss einem Angeschuldigten ein Vergehen zweifelsfrei nachweisen können.

Wir fordern eine Revision des Sexualstrafrechts.
Autor: Corina Elmer Geschäftsleiterin der Frauenberatung sexuelle Gewalt

Ein Problem dabei sei, dass das Gesetz heute ein «Nötigungsmittel» verlange, sagt Corina Elmer. Der Täter muss Druck oder Zwang ausgeübt haben, damit ein Opfer gegen seinen Willen zu sexuellen Handlungen gezwungen werden kann. «Hier wird verkannt, dass es viele Opfer gibt, die sich nicht wehren können.» Aus Angst zum Beispiel, oder wegen eines Loyalitätskonflikts. «Da braucht es ganz klar eine Gesetzesänderung.»

Härtere Strafen hingegen erachtet Corina Elmer nicht unbedingt als zielführend. «Auch den Opfern geht es nicht darum, die Täter mit den höchstmöglichen Strafen zu belegen.» Die Opfer wollten, dass die Täter überhaupt bestraft würden.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 12.04.2021, 17:30 Uhr ; 

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