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Gipfeltreffen in der Moldau Wie lief das Treffen mit Wolodimir Selenski, Herr Berset?

Das kleine Land Moldau – zwischen Rumänien und der Ukraine gelegen – war heute Donnerstag quasi das Zentrum Europas. Denn dort haben sich die Staats- und Regierungschefs fast aller europäischen Länder zum zweiten Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft getroffen. Nicht eingeladen waren einzig Russland und Belarus. Das Gipfeltreffen war ein Zeichen der Solidarität gegenüber der Ukraine und dem Gastgeberland Moldau.

Grundsätzlich soll die Europäische Politische Gemeinschaft aber vor allem die Zusammenarbeit zwischen der EU und anderen europäischen Staaten verbessern. Für die Schweiz mit dabei war Bundespräsident Alain Berset. Im Gespräch mit SRF News erklärt er, warum es solche Treffen überhaupt braucht – und worüber er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski gesprochen hat.

Alain Berset

Bundespräsident

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Alain Berset ist seit 2012 Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI). Für das Jahr 2023 ist Berset zudem Bundespräsident. Er wurde 1972 geboren, studierte an der Universität Neuenburg Politik- und Wirtschaftswissenschaften, die er 2005 mit dem Doktorat abschloss. Der Sozialdemokrat war für den Kanton Freiburg im Ständerat und übte dort 2008 und 2009 das Amt des Ständeratspräsidenten aus. Neben seinem politischen Mandat präsidierte Berset den Westschweizer Mieterinnen- und Mieterverband und die Schweizerische Vereinigung zur Förderung der AOC/IGP.

Ende 2023 wird Alain Berset nicht mehr als Bundesrat kandidieren.

SRF News: Was war für Sie das wichtigste Ergebnis des Gipfeltreffens?

Alain Berset: Zunächst einmal, dass wir uns alle getroffen und ein starkes Bekenntnis zur Zusammenarbeit abgegeben haben. Es ist kein Zufall, dass der Gipfel in Chisinau stattfand. Durch den Krieg in der Ukraine sind wir auf dem Kontinent mit einer riesigen Herausforderung konfrontiert. Hier zu sein und Einigkeit zu demonstrieren, ist sehr wichtig.

Sie konnten am Gipfel den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski persönlich treffen. Hat er Sie auch auf die Positionen der Schweiz angesprochen, zum Beispiel bei den Sanktionen gegen Russland oder der Wiederausfuhr von Kriegsmaterial und Munition?

Sie können davon ausgehen, dass wir all das transparent diskutieren. Das Gespräch war sehr interessant. Ich habe gemerkt, dass in der Ukraine sehr gut bekannt ist, was die Schweiz macht. Nämlich, dass wir uns klar positioniert und alle Sanktionen gegenüber Russland übernommen haben. Ebenso wird registriert, dass wir stark mit humanitärer Hilfe präsent im Land sind, Flüchtlinge bei uns aufnehmen und dass die erste Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in Lugano stattgefunden hat.

Weiter haben wir auch über die Kriegslage gesprochen. In der Ukraine ist bekannt, dass der Bundesrat es unterstützt, einige Elemente nach Deutschland zu exportieren (der Bundesrat ist bereit, 25 Leopard-Panzer für den Rückverkauf an Deutschland ausser Dienst zu stellen, Anm. d. Red.).

Jenseits der EU gibt es noch andere europäische Foren wie den Europarat oder die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE, bei denen die Schweiz mit dabei ist. Warum ist der Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft für Sie dennoch bedeutsam?

Wir sind nicht Mitglied der EU, nicht im EWR und auch nicht in der Nato. Wir brauchen internationale, multilaterale und regionale Treffen in Europa. Es ist sehr wichtig für die Schweiz, in diesen Foren dabei zu sein. Auch das Treffen des Europarats vor zwei Wochen im isländischen Reykjavik war diesbezüglich sehr wichtig.

Während der Pandemie pflegten wir jahrelang nur per Telefon oder Videokonferenzen Kontakt. Irgendwann droht die persönliche Beziehung verloren zu gehen.

Das neue Format der Europäischen Politischen Gemeinschaft, das auf einen Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zurückgeht, hat sich bereits bewährt. Physische Treffen braucht es einfach. Während der Pandemie pflegten wir jahrelang nur per Telefon oder Videokonferenzen Kontakt. Irgendwann droht die persönliche Beziehung verloren zu gehen. Auch Treffen in einem informelleren Rahmen sind sehr wichtig, um Positionen abzustimmen und zusammenzuarbeiten.

Das Verhältnis der Schweiz zur EU ist derzeit angespannt. Konnten Sie den Gipfel auch für persönliche Gespräche über dieses Thema nutzen?

Ich habe nicht so viel mit den europäischen Staats- und Regierungschefs darüber gesprochen. Es war ja auch nicht das Hauptthema des Gipfels. Ich habe aber die Gelegenheit genutzt, mit dem spanischen Premierminister Pedro Sánchez darüber zu diskutieren. Schliesslich übernimmt Spanien ab dem 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft. Ich kenne Sánchez ziemlich gut und es war eine gute Gelegenheit für einen Austausch. Er hat sich sehr offen für die Position der Schweiz gezeigt. Aber: Allen ist klar, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, um ans Ziel zu kommen.

Offenbar könnte schon übernächstes Jahr ein Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in der Schweiz stattfinden. Können Sie das offiziell bestätigen?

Das werden wir sehen. Wenn wir uns an solchen Foren beteiligen, wollen wir auch eine Rolle spielen. Ich kann mir die Austragung eines solchen Gipfels gut vorstellen. Gleichzeitig gehört dazu grosser organisatorischer Aufwand. Es gibt sehr viele Teilnehmer an solchen Treffen, hunderte Journalisten sind akkreditiert. Es braucht eine gute Vorbereitung. Es gibt aber keinen Zweifel daran, dass die Schweiz das kann. In der nahen Zukunft werden wir darüber sicher diskutieren.

Das Gespräch führte Matthias Kündig.

Echo der Zeit, 01.06.2023, 18 Uhr ; 

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