In aufgeräumter Stimmung treffen sich die Luzerner Grünen im Café Sowieso. Das Lokal befindet sich ganz in der Nähe des Löwendenkmals und des Bourbaki-Panoramas – zwei Orte, die bei historisch Interessierten zum Pflichtprogramm gehören, wenn sie die Stadt Luzern besuchen. Historisch wäre es auch, wenn Regula Rytz nächsten Mittwoch in den Bundesrat gewählt würde.
Es wird schwierig, ist sich Samuel Kneubühler, der sich als Sozialarbeiter bei den Luzerner Grünen engagiert, voll bewusst. «Es würde mich überraschen, wenn sie es schaffen würde.» Der Tessiner Bundesratssitz habe starke Rückendeckung, zudem würden Bundesräte eigentlich nicht abgewählt.
Wir müssen darauf hinarbeiten, dass wir es in vier Jahren wirklich schaffen.
Was dem Freisinnigen Ignazio Cassis zugutekommt. Jenem Mann also, dessen Bundesratssitz die Grünen angreifen werden. Kneubühler hofft deshalb, dass seine Berner Parteikollegin mindestens einen Achtungserfolg erzielt. Und er blickt bereits nach vorne: «Wir müssen darauf hinarbeiten, dass wir es in vier Jahren wirklich schaffen.»
Doch das ist Zukunftsmusik. Zunächst fiebern die Männer und Frauen an der grünen Basis dem nächsten Mittwoch entgegen. Die meisten von ihnen werden das Geschehen im Bundeshaus am Fernsehen, im Radio oder online verfolgen.
Die Hoffnung auf eine grüne Vertretung stirbt erst, wenn der Bundesrat fix zusammengesetzt ist.
Mit gemischten Gefühlen, wie Parteimitglied Stefan Meier sagt. Man verdiene zwar nach der Grünen Welle bei den Wahlen einen Bundesratssitz. «Die meisten Mitte-Parteien wollen aber keinen Wechsel im Bundesrat.» Und ohne Unterstützung der politischen Mitte gibt es keinen grünen Bundesratssitz.
Hoffen auf die Sensation
Noch sei es zu früh, diese Hoffnung aufzugeben, sagt Irina Studhalter, die für die Jungen Grünen im Luzerner Stadtparlament politisiert. «Die Hoffnung auf eine grüne Vertretung stirbt erst, wenn der Bundesrat fix zusammengesetzt ist.»
Ein gewisser Zweckoptimismus schwingt bei vielen Grünen mit. Gleichzeitig wäre es für die meisten aber auch kein Weltuntergang, wenn der Traum vom Bundesratssitz nächste Woche platzen sollte.
Der Kampf für die Anliegen der Grünen gehe sowieso weiter, sagt Monique Frey, grüne Fraktionschefin im Luzerner Kantonsparlament: «Wir betreiben parlamentarische Politik, aber auch eine Politik der Strasse.» Deren Bedeutung zeige gerade die Klimabewegung, die der Partei Auftrieb gegeben habe.
Hat sich Rytz verkalkuliert?
Frey räumt aber ein: mit einem Bundesratssitz würde der Gestaltungsspielraum grösser werden. In dem Zusammenhang kritisiert Maurus Frey, der Präsident der Luzerner Grünen, jene politischen Gegner, die einen grünen Bundesratssitz verhindern wollen: «Man verlangt von uns konstruktive, staatstragende Mitarbeit im Parlament und verweigert uns gleichzeitig die Regierungsmitarbeit. Das ist ein Widerspruch.»
Man verlangt von uns konstruktive, staatstragende Mitarbeit im Parlament und verweigert uns gleichzeitig die Regierungsmitarbeit. Das ist ein Widerspruch.
Da stellt sich die Frage, ob die Grünen selber nicht auch taktische Fehler gemacht haben im Hinblick auf die Bundesratswahlen. Hat Parteichefin Rytz nicht zu lange gezögert? Hätte sie nach dem grandiosen Wahlerfolg bei den Nationalratswahlen nicht schon am Wahlabend den Anspruch auf einen Regierungssitz anmelden sollen?
Nein, findet das junge Parteimitglied Stefan Meier. «Nach einem so grossen Erfolg fand ich es okay, dass wir nicht gleich losgeschossen haben. Man sollte nicht aggressiv auftreten.»
Der Abend im Café Sowieso neigt sich dem Ende zu. Bei der grünen Basis ist weder Illusion noch Resignation auszumachen. Politische Projekte gibt es genug. Auch nach den Bundesratswahlen.