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Das Innere der schweizerisch-jüdischen Gemeinschaft bei einem Konflikt in Israel
Aus SRF 4 News aktuell vom 26.05.2021. Bild: Keystone
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Herhalten als Sprachrohr Was bedeutet der Nahostkonflikt für die Juden in der Schweiz?

Bei jeder Eskalation im Nahen Osten, wie etwa im jüngsten Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern in Gaza, rückt die schweizerisch-jüdische Gemeinschaft in den Fokus der Öffentlichkeit. Sie wird zu Erklärungen oder Rechtfertigungen aufgefordert. Was passiert in ihrem Innern?

Yves Kugelmann

Yves Kugelmann

Journalist und Publizist

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Der Journalist Yves Kugelmann ist Chefredaktor des jüdischen Wochenmagazins «Tachles» und eine wichtige Stimme der jüdischen Schweiz.

SRF News: Der Konflikt in Nahost zeigt sich auch in der Schweiz auf den Strassen. Was bedeutet das für die schweizerisch-jüdische Gemeinschaft?

Yves Kugelmann: Auf der einen Seite ist es positiv, dass Palästinenserinnen und Muslime auf die Strasse gehen und Solidarität fordern. Die Frage ist einfach: Tun sie das im Rahmen des Rechtsstaates, der Koexistenz und einer friedlichen Gemeinschaft? Oder überschreiten sie Grenzen? Wo Grenzen überschritten werden oder werden könnten, steigt die Sorge einer jüdischen Gemeinschaft, die viel Erfahrung mit Eskalationen von Konflikten hat, die auf sie überschwappen können – sei es in verbalem oder virulentem Antisemitismus.

«Die» Schweizer Juden gibt es nicht. Was sind die wichtigsten Gruppierungen und Denkweisen?

Das ist sehr vielfältig, von ganz links bis ganz konservativ oder rechts. Auf der einen Seite wird man von aussen – gerade während des Konflikts – mit Israel identifiziert.

Die Identifikation von aussen mit Israel ist oft falsch konnotiert, weil die Schweizerinnen und Schweizer für etwas herhalten müssen, das sie formal nicht repräsentieren.

Auf der anderen Seite ist es so, dass die Schweizer Juden nicht Israelis sind oder keinen israelischen Pass haben. Die Identifikation von aussen mit Israel ist oft falsch konnotiert, weil die Schweizerinnen und Schweizer für etwas herhalten müssen, das sie formal nicht repräsentieren.

Ist das Herhalten als Sprachrohr für Israel nicht auch nervig oder gar stossend?

Es ist vor allem absurd und zeigt die Ohnmacht im Umgang mit dem Thema. Ich denke, vieles hat damit zu tun, dass der Blick auf die jüdische Gemeinschaft ein falscher ist. Die jüdische Gemeinschaft ist nicht eine einheitliche Community, sondern das sind jüdische Bürgerinnen und Bürger in der Schweiz. Dass man sie immer wieder befragt, hat vielfältige Gründe, die innerhalb der Gesellschaft zu hinterfragen sind. Auch vor den Kriegen und Eskalationen gibt es Antisemitismus. Das wird aber von den Medien und der Gesellschaft mehr oder weniger, oder von gewissen Medien gar nicht, thematisiert.

In Europa oder in der Diaspora kämpfen Juden häufig gegen Nationalismus und Rechtspopulismus. Gleichzeitig erleben wir in Israel einen rechtsnationalen Kurs. Was bedeutet dieser Spagat für Schweizer Jüdinnen?

Die Mehrheit der Israelis hat in den letzten Jahren so gewählt und als Resultat kommen solche Koalitionen zustande. Auf der einen Seite gibt es eine sehr viel stärkere Unterstützung des nationalistischen, israelischen, demokratischen Rechtsstaates. Auf der anderen Seite gibt es auch viel heftigere Kritik von jüdischen Gemeinschaften, etwa in den USA. Israel und die jüdische Gemeinschaft sehen sich hier einer neuen Situation gegenüber, mit der sie zurechtkommen müssen.

Kommt der Blick auf die Situation der Juden in der Schweiz sonst im Alltag zu kurz?

In vielen Ländern gibt es heute eine andere Rechtsgrundlage im Vorgehen gegen Antisemitismus. Der Reflex während der Eskalation in Nahost war so, dass viele Länder anders reagiert haben.

Warum kommt es überhaupt zu dieser Art von Ventil und zu dieser Art von Antisemitismus auf den Strassen?

Sie haben auf das Selbstverteidigungsrecht der Israelis verwiesen und reagiert, wenn auf Strassen Antisemitismus vorgeherrscht hat. Aber wir sind noch nicht am Ende, denn es geht auch um die Frage: Warum kommt es überhaupt zu dieser Art von Ventil und zu dieser Art von Antisemitismus auf den Strassen oder zu Aggressionen gegen Jüdinnen und Juden?

Das Gespräch führte Marlen Oehler.

SRF4 News, 26.05.2021, 06:47 Uhr;

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