Es ist quasi die Geheimwaffe, die Obwalden im Ernstfall ab sofort zücken kann: der 6.5 Kilometer lange Entlastungsstollen, der unterirdisch vom Sarnersee zum Wichelsee verläuft.
Droht grösseres Ungemach, kann das Bauwerk das Sarneraatal vor verheerenden Überschwemmungen bewahren, indem Seewasser durch den Stollen abgeleitet und der Seepegel so reguliert wird.
Dass die Region bezüglich Hochwasserschutz jetzt einen riesigen Schritt nach vorne machen kann, ist alles andere als selbstverständlich. Denn durchbrochen ist der Stollen zwar bereits seit gut zwei Jahren. Fixfertig wird das 180-Millionen-Projekt allerdings erst 2026. Noch fehlen unter anderem die Auskleidung des Tunnels und die Auslaufkonstruktion.
Stollen ist ein Jahr früher einsatzbereit
Einen Tunnel haben, ihn aber noch nicht richtig nutzen können: Für den Obwaldner Baudirektor Josef Hess war dies eine schwierige Situation. «Bei einem Hochwasser hätten wir tatenlos zuschauen müssen, wie der See und die Sarneraa trotzdem noch das Dorf überflutet hätten.»
Daher gab es nach dem Durchschlag des Hochwasser-Entlastungsstollens im März 2023 eine Planänderung. Regierungsrat Hess beauftragte das verantwortliche Fachpersonal, die Möglichkeit eines vorzeitigen Einsatzes zu prüfen. Das Resultat: Ein Notbetrieb ist technisch machbar. Jedenfalls, wenn das Einlaufbauwerk, also das Tor zum Stollen, vollendet ist.
Daher zog man dessen Erstellung um ein Jahr vor. Und feierte nun dessen Vollendung. «Ich bin sehr froh darüber und schlafe nun definitiv besser», sagt Josef Hess.
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Bild 1 von 9. Das Einlaufbauwerk im Gebiet Seehof Sachseln bildet den Eingang des Hochwasser-Entlastungsstollens. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 2 von 9. Der grösste Teil der Anlage ist vom Ufer aus nicht zu sehen: Die Sohle des Einlauftrichters liegt rund elf Meter unter dem Wasserspiegel. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 3 von 9. Stahlträger, sogenannte Spundwände, haben die Baugrube während fünfeinhalb Jahren trocken gehalten. Anfang April wurde sie geflutet. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 4 von 9. Die letzten Stahlträger wurden nun entfernt. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 5 von 9. Dafür war die Hilfe von Berufstauchern nötig. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 6 von 9. Sie trennten die Spundwände mit einer extrem heissen Flamme ab. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 7 von 9. Der Vorgang spielte sich unter Wasser ab – einmal war allerdings eine Stichflamme zu sehen. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 8 von 9. Das Einlaufbauwerk ist nun vollendet, die Arbeiten beim Auslaufbauwerk (Bild) sind noch voll im Gang. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 9 von 9. Blick in den Stollenauslauf bei Alpnach. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
Notbetrieb heisst: Noch vermag der Stollen erst die Hälfte der künftigen Wassermenge zu schlucken. Und er kommt erst bei einem sehr starken Seeanstieg zum Einsatz. «Das entspricht einem Hochwasser, das statistisch gesehen alle dreissig Jahre vorkommt», sagt der Baudirektor.
Notbetrieb ist mit Risiken verbunden
Ein Einsatz mit halber Kapazität – und erst ab einem bestimmten Gefahrenpotenzial: Dies hat seinen Grund. Um die Gefahr einer grossen Überschwemmung ab sofort eindämmen zu können, hat der Kanton anderweitig zugleich Risiken in Kauf genommen.
Wenn jetzt Wasser in den Stollen gelangt, könnte es beispielsweise Schalungen und Beton wegspülen.
Käme es bereits jetzt zu einem Ernsteinsatz, könnte der Stollen beschädigt werden. «Noch sind Bauarbeiten im Gang», sagt Projektleiter Daniel Fanger. «Wenn jetzt Wasser in den Stollen gelangt, könnte es beispielsweise Schalungen und Beton wegspülen.» Auch würde sich die Vollendung des Baus zeitlich verzögern.
Um die finanziellen Risiken abzufedern, suchte der Kanton daher das Gespräch mit Versicherungen. Bei allfälligen Schäden am Stollen würden diese nun einspringen. Denn der Nutzen des Notbetriebs überwiegt die Kosten einer potenziell verheerenden Überschwemmung bei Weitem.
In den nächsten Monaten wird nun noch das Auslaufbauwerk in Alpnach erstellt. Ebenso erfolgen Hochwasserschutz-Massnahmen entlang der Sarneraa.
Auch wenn mit der Einweihung des Einlaufbauwerks ein weiterer Meilenstein erfolgt ist: Das Jahrhundertprojekt wird die Verantwortlichen in Obwalden noch eine gute Weile beschäftigen.