Über 20 Länder fordern in einer gemeinsamen Erklärung, dass Israel Hilfslieferungen für den Gaza-Streifen sofort wieder zulässt. Zudem kritisiert die Erklärung Pläne der israelischen Regierung, dass Hilfe nur noch an von privaten Sicherheitskräften gesicherten Orten geleistet werden dürfte. Eine Rolle bei den israelischen Plänen spielt auch die neu gegründete «Gaza Humanitarian Foundation», die über einen Sitz in Genf verfügt.
Die Schweiz wurde ebenfalls angefragt, ob sie die Erklärung unterzeichnen will – das Aussendepartement aber lehnte ab. Warum schliesst die Schweiz nicht die Reihen mit Staaten wie Deutschland, Österreich oder Grossbritannien? Antworten von Monika Schmutz Kirgöz, Botschafterin und Leiterin der Abteilung Mittlerer Osten und Nordafrika im Aussendepartement (EDA).
SRF News: Warum hat die Schweiz sich der internationalen Erklärung nicht angeschlossen?
Monika Schmutz Kirgöz: Die Schweiz ist in weiten Teilen absolut einverstanden mit dieser Erklärung. Wir kritisieren seit längerer Zeit genau dasselbe. Bereits vor einem Monat haben wir die israelische Botschafterin einbestellt, um zu sagen: Diese humanitäre Blockade muss sofort aufgehoben werden.
Eine Beteiligung der Schweiz an der <Gaza Humanitarian Foundation> ist im Moment ausgeschlossen.
Das Aussendepartement kritisiert die Erklärung aber auch als unpräzise formuliert. Was meinen Sie damit?
Die Erklärung erwähnt einen Mechanismus für die Verteilung von humanitären Gütern – ohne dass klar ist, wie dieser genau aussehen soll. Es ist sehr wenig bekannt über die «Gaza Humanitarian Foundation», eine Initiative der USA. Es gab eine einzige Informationsveranstaltung der US-Botschaft in Tel Aviv dazu. Da waren unsere Botschaftsvertreter dabei. Es gibt viele Fragezeichen. Und für uns ist das Wichtigste, dass jetzt Leben gerettet werden können.
Was wissen Sie genau über die «Gaza Humanitarian Foundation»?
Diese Stiftung ist eine US-amerikanische Idee. Wir gehen davon aus, dass die Stiftung in den USA beheimatet ist. In Genf ist ein Ableger, der aber noch nicht operationell ist. Es wurde sehr wenig Konkretes mitgeteilt an der Informationsveranstaltung in Tel Aviv. Wir beobachten aber vor Ort, dass 150 amerikanische Spezialkräfte in Israel eingetroffen sind. Offenbar sollen sie ab dem Wochenende mit diesem Verteil-Mechanismus beginnen. Noch einmal: Das Wichtigste für uns ist, dass diese Hungerkatastrophe jetzt abgewendet werden kann.
100 Lastwagen reichen bei Weitem nicht. Es braucht täglich 600 Camions.
Wäre eine Beteiligung der Schweiz an dieser Stiftung möglich?
Das ist im Moment ausgeschlossen.
Weshalb?
Weil alles unklar ist und weil die Schweiz weiterhin darauf pocht, dass die normale humanitäre Hilfe jetzt in den Gaza-Streifen gelangen kann. Diese steht ja bereit mit 6000 Lastwagen. Seit Montag gelangen wieder Lastwagen in das Gebiet, aber am Montag waren es sechs, am Dienstag 97 und gestern 100. Das reicht bei Weitem nicht. Es braucht jeden Tag 600 Camions.
Was verlangt die Schweiz von Israel?
Wir verlangen sofortigen Zugang für die humanitäre Hilfe. Nicht nur die Schweiz verlangt das, sondern die ganze internationale Gemeinschaft. Und das seit über zwei Monaten.
Manche Aussenpolitikerinnen und -politiker verlangen, dass die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konventionen eine klarere Haltung zeigt gegenüber den Plänen Israels und der USA mit dieser Stiftung. Was antworten Sie?
Ich entgegne, dass wir gerade auch als Depositarstaat glasklar sind. Wie gesagt haben wir die Botschafterin schon vor einem Monat einbestellt. Ich war gemeinsam mit unserem Botschafter in Israel vor zehn Tagen in Jerusalem. Dort haben wir wiederholt, dass die humanitäre Blockade unverzüglich aufgehoben werden muss. Unser Botschafter Simon Geissbühler war diese Woche noch einmal in Jerusalem, um dasselbe zu wiederholen. Und gestern hat der Bundesrat 20 Millionen Franken für die notleidenden Palästinenserinnen und Palästinenser bewilligt.
Das Gespräch führte Andreas Stüdli.