Wer in der Schweiz in die Impfgruppe N eingeteilt wurde – und das waren sehr viele Leute – musste sich in den letzten Wochen gedulden. Nun haben unter anderem die beiden grossen Kantone Bern und Zürich endlich die Impftermine auch für diese Gruppe geöffnet. Aber: Die Online-Systeme waren die letzten Tage am Anschlag.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgte in Sachen Impfen ein Ärztezentrum in der Stadt Biel. Dieses hat vor zwei Wochen damit angefangen, jeden zu impfen, der das will. Unabhängig von der Impfgruppe – und ohne Termin. Walter Koch leitet das betreffende Ärztezentrum. «Wir wollen keine langen Terminlisten», erklärt Koch im Interview.
SRF News: Geimpft werden ohne Termin und unabhängig von der Impfgruppe: Wie kam diese Idee zustande?
Walter Koch: Man hat genug lange geredet, jetzt muss man impfen. Wir haben immer gesagt, dass wir gemäss den Empfehlungen des Kantons und der Impfgruppen prioritär impfen werden. Aber eine Impfung im Kühlschrank nützt nichts, man muss sie verimpfen. Wir wollten keine langen Terminlisten verwalten.
Die Warteschlangen aber werden ständig kontrolliert, da ist immer eine Mitarbeiterin unterwegs.
Viele 19- oder 20- jährige gesunde Menschen haben die Zeit, bei Ihnen anzustehen. Sie bekommen die Impfung, bevor sie beispielsweise ein 52-jähriger , übergewichtiger Informatiker bekommen hat , der sich nicht frei nehmen konnte zum Anstehen.
Das ist so. Wir haben festgestellt, dass viele Junge vorbeigekommen sind. Die Warteschlangen aber werden ständig kontrolliert, da ist immer eine Mitarbeiterin unterwegs. So haben wir schliesslich Personen aus den Gruppen A bis D den Jüngeren vorgezogen. Auch ältere Leute, denen es nicht gut ging und die nicht lange warten konnten, wurden prioritär geimpft.
Konnten Sie beim Bund dermassen viel Impfstoff auf einmal bestellen?
Das Ganze ist kantonal geregelt. Zuerst wurden die offiziellen Impfzentren beliefert. Die Arztpraxen, Gruppenpraxen oder medizinischen Zentren mussten lange warten, obwohl sie schon lange bereit waren. Dann aber kam das Signal, und wir haben uns ganz offiziell registriert. Es war aber doch eher kompliziert.
War es Ihrer Meinung nach zu kompliziert?
Zu Beginn war es sicher richtig, dass man das Ganze streng organisiert hat. Aber spätestens dann, als genügend Impfstoff vorhanden war, hätte man das vereinfachen müssen. Man will keine Terminlisten verwalten.
Teilweise sind Leute drei Stunden angestanden , was man sich in der Schweiz nicht gewohnt ist , ausser vielleicht man wartet auf das neueste iPhone- Modell. War das für Sie überraschend?
Es war überraschend und ein bisschen ein Experiment: Ist das Impfen ohne Termin überhaupt durchführbar? Wie lange stehen die Leute an? Kommt es zu Tumulten? Müssen wir Securitas oder Polizei aufbieten? Es hat aber gut geklappt.
Vielleicht hat unser Vorgehen schliesslich auch dazu geführt, dass der Kanton Bern, viel schneller als eigentlich vorgesehen, alle Impfgruppen freigegeben hat.
Jeder der 26 Kantone handhabt die Organisation der Impfung etwas anders. Ist dies aus Ihrer medizinischen Sicht angebracht?
Wir leben in der Schweiz und kennen das. Wenn wir in drei Wochen fünf Millionen Impfdosen im ganzen Land haben, wie ich hoffe, sollte das keine Rolle mehr spielen.
Sind Sie gewissermassen der Impf- Rebell?
So würde ich es nicht nennen. Aber jetzt reichts. Wir haben Impfstoff. Man muss jetzt liefern und nicht lafern. Das haben wir gemacht. Und da gehört eine alt-eidgenössische Autoritäts-Ungläubigkeit schon ein wenig dazu. Vielleicht hat unser Vorgehen schliesslich auch dazu geführt, dass der Kanton Bern, viel schneller als eigentlich vorgesehen, alle Impfgruppen freigegeben hat.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.