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Intensivmedizin am Limit In den Spitälern wird es enger

  • Aktuell sind die Kantone Freiburg, Solothurn und Schaffhausen an den Grenzen ihrer Kapazität.
  • Gegen Ende Woche könnten, laut Forschenden der ETH Zürich, unter anderem die Kantone Neuenburg, Aargau, Jura dazukommen.
  • In den nächsten Wochen planen die Kantone mit der Rega vermehrt Patienten in Spitäler zu verlegen, die noch Kapazitäten haben.

Die Auslastung der Spitäler nimmt zu, und mit ihr die Angst vor einer Triage. In der Schweiz sind aktuell 68 Prozent der Intensivplätze belegt. «Die Situation wird schwieriger», sagt Lukas Engelberger, Vorsteher der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK). Wegen der vielen Neuansteckungen habe es jetzt mehr Patienten, die auf eine Spitalbehandlung angewiesen sind: «Das hat vereinzelt dazu geführt, dass Spitäler an den Rand gekommen sind.»

Was ist eine Triage?

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Unter Triage bzw. Sichtung werden in der Notfall- bzw. Katastrophenmedizin Verfahren verstanden, die im Fall eines Massenanfalls von Verletzten bzw. Erkrankten eine schnelle und orientierende Einteilung der Betroffenen in unterschiedlich priorisierte Kategorien zulässt.

Der Begriff «Triage» geht in seiner Militär-medizinischen Bedeutung auf die napoleonischen Kriege im 18. Jahrhundert zurück. Die Anzahl an Verwundeten überstieg die Ressourcen und zwang die Helfenden zur «Auslese» derer, die sofortige Hilfe benötigten.

Aktuell sind die Kantone Freiburg, Solothurn und Schaffhausen an den Grenzen ihrer Kapazität. Gegen Ende Woche könnten unter anderem die Kantone Neuenburg, Aargau, Jura dazukommen. So sehen es die Forscher der ETH Zürich, die auf der Webseite icumonitoring.ch die Spitalkapazitäten berechnen versuchen.

Die Dynamik brechen

In den nächsten Wochen planen die Kantone mit der Rega vermehrt Patienten in Spitälern zu verlegen, die noch Kapazitäten haben. Nur wenn auch das ausgeschöpft ist, müssten die Spitäler dann Patienten abweisen. Es wäre ein Schreckenszenario.

Engelberger sagt dazu: «Ich sehe die Gefahr jetzt nicht unmittelbar. Sie könnte aber drohen, wenn es jetzt nicht gelingt die Dynamik zu brechen. Wir müssen jetzt die Neuansteckungen reduzieren. Damit wir in ein, zwei, drei Wochen dann nicht kollabieren in den Spitälern.»

Patienten werden ausgetauscht

Markus Schwendinger ist Chefarzt Notfall- und Intensivmedizin im Kantonsspital Baden. Aktuell werden in Baden 50 Covid-Patienten behandelt, sechs davon auf der Intensivstation. «Wir haben noch ein bisschen Luft», sagt Schwendinger.

In Baden wende man ein vierstufiges Eskalationsmodell an, man sei immer noch in der ersten Stufe. Das Spital kommuniziere mit anderen Spitälern im Kanton Aargau und tauscht Patienten aus: «Das funktioniert bisher sehr gut.»

Ärzte erhalten ethische Unterstützung

Doch die Situation könnte sich zuspitzen. Deshalb bereitet sich Baden darauf vor, noch mehr Patienten zu behandeln – bis zu 14 Covid-Erkrankte auf der Intensivstation. Limitiert seien aber nicht der Raum oder die Beatmungsgeräte, sondern das Personal. Für die Behandlung eines Corona-Patienten brauche es bis zu sechs Pflegende pro Patient: «Das ist sehr personalintensiv.»

Die Stimmung ist angespannt, weil es ungewiss ist, was auf uns zukommt.
Autor: Markus Schwendinger Chefarzt Notfall- und Intensivmedizin Kantonsspital Baden

Für die Ärzte wird es schwierig, wenn nicht mehr alle Patienten aufgenommen werden könnten und die Personen keine Patientenverfügung haben. In Baden hat man dafür eigens eine Ethikgruppe eingerichtet. Diese hilft den Ärzten bei der Entscheidung: «Wir wollen, dass kein Arzt alleine entscheiden muss», sagt Schwendinger.

Besonders anspruchsvoll sei die Entscheidung, ob bei einem Patienten eine Therapie abgebrochen wird, wenn ein anderer Patient eine grössere Erfolgsaussicht aufs Überleben hat: «Die Stimmung ist angespannt, weil es ungewiss ist, was auf uns zukommt.»

10vor10, 02.11.20, 21:50 Uhr

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