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Ist Erben gerecht? Wie sich die Erbschaftssteuern kantonal unterscheiden

In Obwalden existiert sie nicht, in Genf beträgt sie teils mehr als 50 Prozent: die Erbschaftssteuer. So unterschiedlich sie kantonal geregelt ist, so entscheidend ist sie für die soziale Gerechtigkeit.

Manche Menschen arbeiten für ihr Geld. Andere lassen es für sich arbeiten. Dafür braucht man Kapital. Hat man dieses mit ehrlicher Arbeit selbst verdient, scheint der gesellschaftliche Gerechtigkeitssinn weitgehend gewahrt.

Hier zeigt ein Nachwuchs-Geisselchlepfer sein Können beim traditionellen «Priis-Chlepfä» auf dem Dorfplatz in Schwyz.
Legende: Ein Nachwuchs-Geisselchlepfer zeigt sein Können beim traditionellen «Priis-Chlepfä» auf dem Dorfplatz in Schwyz. Hier gibt es keine Erbschaftssteuer. KEYSTONE/Urs Flüeler

Hat man es allerdings geerbt, gehen die Wogen teils hoch. Denn ob man in den Genuss dieses Privilegs kommt, ist zu einem Grossteil Glücksache; der eigene Familienstammbaum lässt sich nicht auswählen.

Schwyz und Obwalden haben keine Erbschaftssteuer

Wer sich der Frage über die Gerechtigkeit des Erbens annähert, bewegt sich nicht nur in moralischen Gefilden. Es sind handfeste gesellschaftliche und ökonomische Konsequenzen, welche durch einfache Prozentsätze manifestiert werden.

In der Schweiz sind die Erbschaftssteuern kantonal geregelt, die Unterschiede gross. Einige Beispiele: Ein 43-jähriger Mann aus Lachen vermacht seiner 37-jährigen Schwester 500'000 Franken. Weil es im Kanton Schwyz keine Erbschaftssteuer gibt, erhält die Schwester den vollen Betrag.

In der Stadt Luzern sind bis zum Tod des einen Konkubinatspartners zwei 38-jährige Männer seit sieben Jahren in einer Beziehung. Weil sie nie zusammengelebt haben, können sie ihre «eheähnliche Beziehung», wie sie im kantonalen Gesetz betreffend Erbschaftssteuern verlangt wird, nicht nachweisen. Der Erblasser vermacht seinem Partner ebenfalls 500'000 Franken. 190'000 Franken muss der Hinterbliebene allerdings versteuern.

Neue Regelungen im Erbgesetz seit diesem Jahr in Kraft

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Seit diesem Jahr gelten im Erbrecht neue Bestimmungen. Personen, welche ihr Vermögen nach dem Tod verteilen wollen, erhalten mehr Freiheiten. So wurde der Pflichtteil, also jener Teil, welcher bei der Verteilung des Nachlasses gesetzlich vorgeschrieben ist, von drei Viertel auf die Hälfte reduziert.

Der Pflichtteil wird im national geltenden Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt, die verschiedenen Erbschaftssteuern auf kantonaler Ebene. Grundsätzlich dürften also die Änderungen im Erbgesetz keine Auswirkungen auf die Erbschaftssteuern haben. Es wird erwartet, dass sich diese – wenn überhaupt – nur minimal ändern. Was weiterhin gilt: Erbschaften können auch ausgeschlagen werden.

Wie neun andere Kantone machen Genf und die Waadt zwischen Konkubinatspartnerinnen bzw. -partnern und Nichtverwandten überhaupt keine Unterschiede. Die Erbschaftssteuer ist dabei hoch; in der Waadt muss bei einer Erbschaft von 500'000 Franken die Hälfte versteuert werden, in Genf sind es sogar mehr als die Hälfte.

Erbschaften erleichtern sozialen Aufstieg

Wer viel erbt, hat grössere Chancen auf ein erfolgreiches Leben. Es ist manchmal fast so, als würde das Startkapital beim Gesellschaftsspiel Monopoly zu Beginn ungleich verteilt. Genau, wie dann der am meisten bevorzugte Spieler die grösste Chance hat, das Spiel zu gewinnen, sind die Personen bevorteilt, welche viel erben: Wer dies früh im Leben tut, hat höhere Chancen auf einen Studienabschluss, einen hohen Lohn, eine gute Gesundheit, ja sogar Erfolg in Partnerschaften lässt sich darauf zurückführen.

Soziale Mobilität und soziale Reproduktion

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Die Wahrscheinlichkeit, inwiefern Erfolg im Leben von einer Erbschaft abhängt, lässt sich messen. Die beiden Kategorien heissen soziale Mobilität und soziale Reproduktion.

Existiert in einem Land eine hohe soziale Mobilität, ist es weitgehend zweitrangig, ob man in eine wohlhabende Familie hineingeboren wurde. Das bedeutet beispielsweise, dass auch Kinder aus armen Familien studieren oder wohlhabend werden können. Das Gegenteil ist die soziale Reproduktion. Der Wohlstand oder eben die Armut der Eltern lässt sich dann bei den Kindern wiederfinden, sie reproduziert sich also.

Das Bundesamt für Statistik betont, dass vor allem im Bildungsbereich in der Schweiz die soziale Reproduktion nach wie vor stark ausgeprägt ist. So hat eine Studie des Schweizerischen Wissenschaftsrats 2018 ergeben, dass nur 13.5 Prozent der Kinder mit Eltern, die über ein niedriges Bildungsniveau verfügen, einen Fachhochschul- oder Universitätsabschluss haben, während es bei solchen mit gut gebildeten Eltern 51.8 Prozent sind. Etwas weniger dominant ist die soziale Reproduktion beim Vermögen, wenngleich auch hier ein starker Zusammenhang besteht.

In einer Studie betont Marc Szydlik, Professor für Soziologie an der Universität Zürich, zudem: «Empirische Ergebnisse zeigen, dass vor allem wohlhabende erwachsene Kinder von nennenswerten Vermächtnissen profitieren.» Oder zugespitzt formuliert: Reiche Familien bleiben reich, arme Familien bleiben arm.

Eine etwas andere Perspektive hat Christoph Schaltegger. Der Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern kommt zusammen mit der Ökonomin Melanie Häner in ihrer gemeinsamen Studie zum Schluss: Wer die soziale Dynamik über mehrere Generationen untersucht, stellt eine zunehmende Entkoppelung fest. So verwässere sich der Einfluss der Grosseltern auf den Erfolg der gegenwärtigen Generation bereits um die Hälfte, während für die Urgrosseltern gar keine statistisch zuverlässige Abhängigkeit mehr bestehe.

Was gerecht oder ungerecht ist, liegt letztlich in den Händen der Politik. Die verschiedenen Regelungen in den Kantonen lassen auf unterschiedliche Auffassungen schliessen.

SRF Club, 10.01.2023, 22:25 Uhr

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